Gewerkschaften: Yasmin Fahimi zur DGB-Chefin gewählt

Yasmin Fahimi ist neue Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Yasmin Fahimi ist neue Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes. (Bild: Fabian Sommer/dpa)

WOCHENBLATT
WOCHENBLATT

Erstmals in seiner Geschichte steht eine Frau an der DGB-Spitze. Yasmin Fahimi tritt mit einem umfassenden Forderungskatalog an. Skeptisch äußert sie sich zu der geplanten Steigerung der Rüstungsausgaben.

Berlin (dpa) – Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat die SPD-Bundestagsabgeordnete Yasmin Fahimi zu seiner neuen Vorsitzenden gewählt. Die 54-Jährige erhielt beim DGB-Bundeskongress am Montag in Berlin 93,2 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Erstmals in der Geschichte des DGB steht nun eine Frau an der Spitze des Gewerkschaftsbundes. Vor den rund 400 Delegierten forderte Fahimi einen «Masterplan aus einem Guss für sozialen Fortschritt in unserem Land». Zugleich kritisierte sie die Ampelkoalition für die geplante deutliche Aufstockung des Wehretats.

Fahimi folgt auf Reiner Hoffmann, der nach zwei Amtsperioden aus Altersgründen nicht mehr angetreten war. Als DGB-Vizevorsitzende wurde Elke Hannack mit 97,7 Prozent in ihrem Amt bestätigt. Als Vorstandsmitglieder wurden Anja Piel mit 96,3 Prozent und Stefan Körzell 97,1 Prozent bestätigt.

Umbau und Wandel

In einer Grundsatzrede machte sich Fahimi für einen «Aufbruch» für eine demokratischere Wirtschaft und eine krisenfestere Gesellschaft stark. «Wir wollen einen grundlegenden Umbau unserer Wirtschaft», sagte Fahimi. Der Wandel dürfe nicht nur ökologischen oder ökonomischen Maximen folgen. Nötig seien eine Gemeinwohlorientierung und eine gute Daseinsvorsorge.

Fahimi forderte eine «dynamische Investitionsstrategie der öffentlichen Haushalte». Die «starre Fixierung» auf die Schuldenbremse sei aus der Zeit gefallen. Die neue DGB-Chefin verlangte eine «umfassende Modernisierung und Entstaubung» der Mitbestimmung. «Unternehmen sind doch keine konstitutionellen Monarchien.» Die Politik müsse den Beschäftigten – insbesondere den Frauen – mehr Rechte geben.

Ruf nach mehr sozialen Rechten

Bezahlbaren Wohnraum solle es für Auszubildende und Studierende geben – mittels eines Programms für junges Wohnen, forderte Fahimi. Ganze Familien säßen in Armutsfallen fest. Fahimi forderte mehr soziale Rechte. «Ohne diese sozialen Rechte bleiben viel zu viele Menschen Bittsteller.»

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs wandte sich Fahimi strikt gegen einen ersatzlosen Stopp der russischen Gaslieferungen. Die Wertschöpfungsketten würden dann in Deutschland schnell in die Knie gehen. Auch das Ziel von mehr bezahlbarem Wohnraum könne man im Fall eines schnellen Gasstopps vergessen, sagte Fahimi.

«Man möchte heulen angesichts der Zerstörung, der Zerschlagung unserer Friedensordnung, der viel zu vielen Toten», sagte Fahimi. Die neue DGB-Chefin forderte Russlands Präsident Wladimir Putin zu einem Ende des Kriegs auf. Grundsätzlich wandte sich Fahimi gegen die Vorstellung, «man könne mit Waffen Frieden schaffen». Viel notwendiger seien Abkommen zur gegenseitigen Rüstungskontrolle. Nur Demokratie und Menschenrechte könnten Despoten die Grundlage für ihre Allmachtsfantasien entziehen.

Teil der Friedensbewegung

Fahimi stellte fest, dass die Ukraine jedes Recht auf Selbstverteidigung habe. Deshalb seien Waffenlieferungen richtig. Zugleich machte die neue DGB-Chefin deutlich, dass der Gewerkschaftsbund Teil der Friedensbewegung bleiben wolle. Fahimi kündigte eine weitgehende Debatte über präventive Friedenspolitik an.

Das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Verteidigungshaushalt festzulegen, «das halte ich für willkürlich und grundfalsch», sagte Fahimi. «Es darf kein Freifahrtschein für Militärausgaben werden.» Die Kosten für das geplante 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr dürften nicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden.

Vor den Delegierten hatte Fahimi auch mit ihrer Biografie für sich geworben. Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter sei sie auf manche Widerstände gestoßen. Fahimi hatte verschiedene Stationen bei der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) absolviert. Sie war SPD-Generalsekretärin, Staatssekretärin im Arbeitsministerium und wurde 2017 Bundestagsabgeordnete. Die Diplom-Chemikerin zählt zu den SPD-Linken. Ihr Mandat will sie nun niederlegen, wie Fahimi in einem Brief an SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich angekündigt hatte.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte Fahimi den Delegierten vorgeschlagen und sie als «erfahrene und in den Belangen der Arbeitswelt sehr versierte Kollegin» vorgestellt. Fahimis Lebensgefährte ist der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis. 
Hoffmann hatte im Jahr 2014 93,1 und bei seiner Wiederwahl im Jahr 2018 76,3 Prozent erhalten. Dessen Vorgänger Michael Sommer war 2010 mit 94,1 Prozent gewählt worden.