Gestresste Eltern schlagen Kindern auf den Magen

„Mütter und Väter, die dauerhaft überlastet sind, gefährden nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern auch die ihrer Kinder“, sagt Franziska Klemm, Psychologin bei der KKH Kaufmännische Krankenkasse.
„Mütter und Väter, die dauerhaft überlastet sind, gefährden nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern auch die ihrer Kinder“, sagt Franziska Klemm, Psychologin bei der KKH Kaufmännische Krankenkasse. (Bild: Franziska Klemm / KKH-Kaufmännische Krankenkasse)

WOCHENBLATT
WOCHENBLATT

Nachwuchs Alleinerziehender besonders betroffen – KKH-Psychologin: Elternwohl gleich Kindeswohl

Ulm – Wenn Eltern permanent im Stress sind, nur noch arbeiten, sich ständig streiten, keine Zeit zum Zuhören haben, geht das auch am Nachwuchs nicht spurlos vorbei. Doch permanenter Druck und Hektik gehören für viele Familien längst zum Alltag. Wie eine forsa-Umfrage der KKH gezeigt hat, leiden fast 40 Prozent der Eltern mit Kindern unter 18 Jahren unter Dauerstress. Und das bleibt nicht ohne Folgen. „Mütter und Väter, die dauerhaft überlastet sind, gefährden nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern auch die ihrer Kinder“, sagt Franziska Klemm, Psychologin bei der KKH Kaufmännische Krankenkasse. Der Nachwuchs reagiert zunächst häufig mit Einschlafproblemen, Kopf- und Bauchschmerzen, die bei chronischem Stress im schlimmsten Fall in psychische Erkrankungen und Entwicklungsstörungen münden können.

Betroffen sind vor allem Kinder alleinerziehender Mütter und Väter, wie eine weitere forsa-Umfrage im Auftrag der KKH deutlich macht: So klagt jedes vierte 6- bis 18-jährige Kind getrennt lebender Eltern sehr häufig bis häufig über Müdigkeit und Erschöpfung, und jedes fünfte über stressbedingte Kopf-, Bauch- oder Magenschmerzen. „Das sind klassische Alarmsignale, die Eltern nicht ignorieren sollten“, sagt Franziska Klemm. Weitere Auswirkungen von Stress: 38 Prozent der Kinder alleinerziehender Eltern sind häufig unkonzentriert, 22 Prozent schnell aggressiv, 19 Prozent ziehen sich bei Stress zurück und 14 Prozent reagieren mit Traurigkeit. Die Zahl der betroffenen Kinder zusammenlebender Eltern ist etwas geringer.

Das, was Eltern am meisten zu einer Lösung fehlt, ist Zeit. Drei Viertel der befragten Eltern wünschen sich mehr davon, um sich besser um die Familie kümmern zu können und auch mal Raum für die eigenen Bedürfnisse zu haben. Das Hauptproblem: der Job. Die Zahl der Doppelverdiener-Haushalte ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Laut 2019 veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes sind mittlerweile rund 92 Prozent der Väter und knapp 74 Prozent der Mütter mit minderjährigen Kindern berufstätig. Das bedeutet einen immensen Organisationsaufwand – und somit eine Belastung für die ganze Familie. Die Hälfte der Eltern setzt sich laut Umfrage mit ihren eigenen Ansprüchen noch zusätzlich unter Druck, sowohl im Beruf als auch in der Kindererziehung perfekt sein zu wollen.

Die Folgen: Chronisch gestresste Eltern scheuen häufig familiäre Konflikte, da sie eine zusätzliche Belastung darstellen. Sie räumen ihren Kindern aus Mangel an Zeit und Energie Hindernisse lieber aus dem Weg anstatt gezielt auf deren Bedürfnisse einzugehen und sie dabei zu begleiten, selbst eine Lösung zu finden. „Dieses Verhalten macht Probleme häufig nur noch schlimmer. Außerdem verpasst die ganze Familie so die Chance, Herausforderungen gemeinsam zu meistern und daraus Motivation, Energie und Kraft zu schöpfen“, erläutert die KKH-Expertin.

Einen der wichtigsten Schritte aus dem Stress-Dilemma sieht Franziska Klemm in der mentalen Gesundheit der Eltern. „Die Gesundheit einer Familie ist von der Gesundheit aller Familienmitglieder abhängig“, betont die Psychologin. Mütter und Väter müssten Methoden finden, ihren Stresspegel zu reduzieren, denn nur entspannte Eltern könnten gute Vorbilder sein und sich angemessen um die Erziehung ihrer Kinder kümmern. Dabei helfen können etwa Antistress- und Zeitmanagement-Coachings sowie das Erlernen von Entspannungstechniken – auch für die ganze Familie. Denn Entspannung und Freiräume sind wichtig für eine gesunde Entwicklung der Kinder. Demgegenüber steht der gut gemeinte Anspruch vieler Eltern, ihren Nachwuchs bestmöglich zu fördern: Englisch bereits im Kindergarten, Geigenunterricht, Fußballtraining oder Malkurse nach der Schule. Doch Kinder brauchen auch Zeit, um Kreativität zu entwickeln und Kraft zu schöpfen – schwierig angesichts solch prall gefüllter Terminkalender. „Das bedeutet nicht zwingend: weniger ist mehr. Die Freizeitgestaltung sollte sich vielmehr an den Bedürfnissen und Interessen jedes einzelnen Kindes orientieren“, sagt Klemm. „Natürlich können Hobbies wie ein Mannschaftssport oder das Lernen eines Instruments positive Auswirkungen auf die Entwicklung haben, aber nicht, wenn das Kind keine Lust oder zu wenig Zeit dafür hat.“

Darüber hinaus ist auch strukturelle Entlastung nötig, um den Stress für die ganze Familie zu reduzieren: Verlässliche Kinderbetreuungseinrichtungen sowie flexiblere Arbeitszeiten und -orte können ein wichtiger Schritt zu mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein. Durch die Corona-Pandemie haben Arbeitgeber bereits erkannt, dass in vielen Jobs Homeoffice eine brauchbare Alternative ist – ein sinnvoller Baustein, wenn diese Möglichkeit langfristig bestehen bleibt.

Angebote für die Familie und zur Stressreduktion

KKH Stress- und Schlafcoach: kkh.de/leistungen/stress-entspannung/online-stresscoach

KKH Stressbewältigung und Entspannung: kkh.de/leistungen/stress-entspannung

Elternberatung: kkh.de/leistungen/familie-kind/bke-elternberatung

Gesundheitsförderung für Familien: kkh.de/leistungen/praevention-vorsorge/gesundheitsfoerderung-setting/3f-fit-for-family