Gericht verhandelt über AfD-Klage gegen Verfassungsschutz

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla steht den Journalisten vor dem Gerichtssaal Rede und Antwort.
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla steht den Journalisten vor dem Gerichtssaal Rede und Antwort. (Bild: Federico Gambarini/dpa)

WOCHENBLATT
WOCHENBLATT

Ist die AfD eine Gefahr für die Demokratie? Das ist die Kernfrage eines mit Spannung erwarteten Verfahrens in Köln. Die AfD und der Bundesverfassungsschutz stehen sich dabei direkt gegenüber.

Köln (dpa) – Am Kölner Verwaltungsgericht beginnt heute ein politisch brisantes Verfahren.

Die AfD hat vier Klagen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz eingereicht, in denen es unter anderem darum geht, ob der Inlandsgeheimdienst die gesamte Partei als Verdachtsfall oder als gesichert rechtsextremistische Bestrebung einstufen darf. AfD-Chef Tino Chrupalla ist dafür nach Köln gereist. Demonstrationen sind nach Angaben der Polizei nicht angemeldet.

Kurz vor Beginn des Verfahrens betonte Chrupalla, dass seine Partei nicht als rechtsextrem eingestuft werden könne. Über den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sagte Chrupalla: «Herr Haldenwang hat noch im Oktober 2020 im Innenausschuss des Bundestags gesagt, dass die AfD keine rechtsextreme Partei ist. Da fragen wir umgekehrt: Was hat sich denn seitdem verändert?»

In dem Verfahren wurden bereits zentnerweise Schriftsätze ausgetauscht. Der Verfassungsschutz reichte mehrfach Dokumente nach. Dabei ging es etwa darum darzulegen, mit welchen Aussagen AfD-Funktionäre aus Sicht des Verfassungsschutzes gegen das Rechtsstaatsprinzip oder das Demokratieprinzip verstoßen, beziehungsweise die Menschenwürde von Migranten, Muslimen und anderen Minderheiten missachtet haben. Die Verhandlung ließ lange auf sich warten, da das Gericht 2021 entschied, keinen Termin kurz vor der Bundestagswahl anzusetzen.

Einstufung des «Flügels» als rechtsextremistisch

In einer weiteren Klage geht es um die Einstufung des sogenannten Flügels in der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Das vom Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke gegründete Netzwerk wurde inzwischen formal aufgelöst. Außerdem will die AfD erreichen, dass ihre Nachwuchsorganisation nicht mehr als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt. Die Partei will den Verfassungsschutz zudem zwingen, die Aussage zurückzuziehen, der «Flügel» habe bis zu seiner Auflösung etwa 7000 Mitglieder gehabt.

Um trotz der Corona-Pandemie eine angemessene Beteiligung der Öffentlichkeit an dem Verfahren zu ermöglichen, wurde die Verhandlung in einen Saal der Koelnmesse verlegt. Es besteht großes Medieninteresse. Das Verwaltungsgericht hat zwei Tage – Dienstag und Mittwoch – für die Verhandlung angesetzt. Offen ist, ob das Gericht am Ende der Verhandlung direkt eine Entscheidung treffen wird.

Der Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers hält die Voraussetzungen für eine bundesweite Beobachtung der AfD für gegeben. «Zumindest Teile der AfD zielen eindeutig auf eine Systemveränderung», sagte Möllers dem «Spiegel». Der Inlandsgeheimdienst müsse daher die Möglichkeit haben zu untersuchen, ob die Partei tatsächlich verfassungsfeindlich sei. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine liefere dem Verfassungsschutz dabei zusätzliche Argumente. Viele AfD-Politiker hätten gute Drähte nach Russland und ließen sich immer wieder für Wladimir Putins Propaganda einspannen. «Das Fraternisieren mit Putin ist im jetzigen Konfliktfall ein weiterer Grund für eine Beobachtung», sagte Möllers.