Verdreifachung der Preise? Gas wird knapper und noch teurer – Ein Interview

Lundquist Neubauer.
Ludquist Neubauer. (Bild: VERIVOX)

Immer deutlicher wird, dass der Krieg in der Ukraine starke Auswirkungen auf unser Leben hat. So musste gestern Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausrufen. Habeck sah sich zu diesem Schritt gezwungen, weil deutlich verringerte Gaslieferungen aus Russland zu verzeichnen sind.

Die Alarmstufe wird bei einer Störung der Gasversorgung oder einer außergewöhnlich hohen Nachfrage nach Gas ausgelöst, in deren Folge eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgungslage festgestellt werden muss. Bei der Alarmstufe ist die Gasversorgung noch gewährleistet, die Versorgungsunternehmen dürfen damit die Preise nach Energiesicherungsgesetz nicht erhöhen. Dies ist erst in der Stufe 3 (Notfallstufe) erlaubt.

Wir sprachen mit Lundquist Neubauer (Pressesprecher für Strom und Gas beim Verbraucherportal Verivox). Der Energieexperte äußerte sich u. a. zu den aktuellen Entwicklungen und gab Handlungsempfehlungen für Verbraucher und Haubesitzer.

Herr Neubauer, sehen Sie Chancen, dass die Gasspeicher bis zum Winter auf mindestens 90 Prozent gefüllt sind?

Folgt man den Ausführungen von Bundeswirtschaftsminister Habeck, stehen die Chancen dafür nicht gut.

Welche Maßnahmen beinhaltet die Notfallstufe 3?

Wird im Notfallplan Gas die 3. Stufe – die Notfallstufe ausgerufen, muss der Staat in die Gasversorgung eingreifen, um die Versorgung geschützter Kunden zu sichern. Dazu gehören private Haushalte, aber beispielsweise auch Krankenhäuser. Welche Gasverbraucher aus der Industrie weniger Gas erhalten, wird von der Bundesnetzagentur in Abstimmung mit den Gasnetzbetreibern festgelegt.

Welche Preiserhöhungen sind dem Ukraine-Krieg zuzuordnen (in Prozent)?

Die einzelnen Faktoren der Preisentwicklung zu unterscheiden, ist uns nicht möglich.

Wie stark stiegen der Heizölpreis und der Gaspreis seit Kriegsausbruch?

Die Gaspreisniveau ist seit Kriegsausbrauch am 24.02.2022 um 33 Prozent gestiegen. 20.000 kWh Gas kosten seither über 700 Euro mehr. Die Heizölpreise sind im gleichen Zeitraum um rund 44 Prozent angestiegen. 2000 Liter Heizöl kosten nun rund 900 Euro mehr.

Mit welchem Preisanstieg ist bei der Notfallstufe 3 wohl zu rechnen?

Trotz der Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas dürfen die Gasversorger die gestiegenen Großhandelspreise bisher nicht direkt an ihre Kunden weitergeben und müssen sich weiter an vertragliche Fristen halten.

Die Gaspreise für Verbraucher steigen bereits seit Jahresbeginn. Verivox zählt insgesamt 1130 Preiserhöhungen von Grundversorgern um durchschnittlich 34 Prozent. Eine Familie mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden hat dadurch Mehrkosten von 560 Euro im Jahr. Könnten nun alle Gasanbieter ihre Preise auch für Bestandskunden außerordentlich erhöhen, erwarten wir mindestens Preissteigerungen in der gleichen Größenordnung.

Allerdings hat sich die Preislage im weiteren Jahresverlauf eher verschärft, so dass immer weniger Versorger von einer langfristigen Beschaffung profitieren. Hinzu kommt: Viele Bestandskunden haben ältere Verträge, mit noch sehr günstigen Konditionen. Nimmt man daher das aktuelle Gaspreisniveau als Maßstab, ist sogar eine Verdopplung der Gaskosten realistisch.

Was können Verbraucher außer einem Preisvergleich tun, um die explodierenden Kosten zu begrenzen?

In den Sommermonaten kann der Verbrauch von Warmwasser so weit wie möglich begrenzt werden, für den Winter empfiehlt sich eine optimale Einstellung der Heizungsanlage. So können laut Bundeswirtschaftsminister Habeck bis zu 15 Prozent des Verbrauchs eingespart werden.

Welche Empfehlungen geben Sie Hausbesitzern mit älteren Heizanlagen?

Gerade bei älteren Heizanlagen kann sich eine optimale Einstellung durch Heizungstechniker lohnen. Ob und wann sich ein Austausch der Heizungsanlage lohnt, hängt vom Einzelfall ab und sollte im Rahmen einer Energieberatung geprüft werden.

Sind Wärmepumpen, Solarenergie, Infrarotheizungen oder Erdwärme zukunftsfeste Alternativen?

Ja, das Heizen mit erneuerbaren Energien wird langfristig wohl die günstigste Alternative darstellen.