Friedhöfe im Aufbruch: Die Bestattungskultur ist so vielseitig wie der Mensch selbst

Wie soll der Friedhof der Zukunft aussehen? Immer mehr ältere Menschen machen sich Sorgen, dass sich irgendwann niemand mehr um ihr Grab kümmert.
Wie soll der Friedhof der Zukunft aussehen? Immer mehr ältere Menschen machen sich Sorgen, dass sich irgendwann niemand mehr um ihr Grab kümmert. (Bild: Pixabay)

Weingarten (le) – Wenn ein naher Angehöriger stirbt, wird man unfreiwillig mit dem Gedanken der Bestattung konfrontiert. Die Zeiten, in denen die Entscheidung klar auf die klassische Erdbestattung fiel, sind lange vorbei. Der Trend geht deutschlandweit zur Urnenbestattung. Auch auf dem Marien- und Kreuzbergfriedhof in Weingarten. Hier liegt er bei deutlich über 70 Prozent und zu den mittlerweile gängigen Bestattungsformen kommen immer neue hinzu.

Sogar die Möglichkeit einer Tuchbestattung wird angeboten

Wir haben bei Matthias Goos, seit Anfang des Jahres neuer Friedhofsverwalter, nachgefragt. Der gelernte Bestatter ist mit Leib und Seele bei seiner neuen Aufgabe.

Das klassische Grab ist am Aussterben

Im Jahr 2020 starben in Deutschland laut Statistischem Bundesamt ca. 985 572 Menschen. Es gibt etwa 32 Millionen Erdgräber auf mehr als 32.000 Friedhöfen. Doch die Bestattungskultur hat sich hierzulande in den letzten Jahren stark verändert. Die „Gottesäcker“ werden, wenn es der Platz hergibt, zunehmend eingeebnet und erinnern durch immer größere Rasenflächen und weniger Erdgräber immer mehr an Parks.

Matthias Goos ist seit Anfang des Jahres der neue Friedhofsverwalter von Weingarten.
Matthias Goos ist seit Anfang des Jahres der neue Friedhofsverwalter von Weingarten. (Bild: Daniela Leberer)

Der Aufwand der Grabpflege ist für viele das Problem

„Ein großes Thema bei den Angehörigen ist die Pflege der Gräber und der Trend geht zur pflegefreien Variante,“ so Goos. Um diesem Wunsch gerecht zu werden, ist auf dem Marienfriedhof das „Urnenband“-Grab entstanden. Eine größere Fläche wurde mit einzelnen aneinandergrenzenden Steinquadern angelegt und hat von oben betrachtet die Form eines Fisches. Man kann sich einen Stein für bis zu zwei Urnen aussuchen und mit einer kleinen Tafel für die persönliche Widmung bestücken. „Wir sind mit der Gestaltung noch nicht ganz fertig. Was noch fehlt ist die schöne Rundumbepflanzung. Die Urnengräber sind noch nicht freigegeben, aber die Anfrage ist bereits hoch,“ so Goos. Warum wurde die Form eines Fisches gewählt? „Der Fisch wird in vielen Kulturen und Religionen verehrt. Auch im Christentum gehört er zu einem der ältesten Symbole und geht auf die ersten Jahrhunderte nach Christus zurück.“

Bäume als Sinnbild von Neuanfang und Kraft

Da der Wunsch nach einer letzten Ruhestätte in einem Friedwald für viele Menschen immer größer geworden ist, bietet Weingarten als Alternative auch Baumgräber an. „Auf einem kleineren Areal kann man sich um einen Baum herum ein Plätzchen für bis zu zwei Urnen aussuchen und mit einer Steinplatte als Erinnerung versehen. Eine Bepflanzung ist hier nicht vorgesehen, alles soll so natürlich wie möglich belassen werden.“

Einfach drüber mähen

Wenn der Verstorbene nicht eingeäschert werden möchte, gibt es die Möglichkeit eines Erd-Rasengrabes. Wenn sich nach der Beisetzung alles gesetzt hat, wird auf diesen Gräbern Rasen angesät und drüber gemäht. Nur eine kleine Steinplatte mit Aufschrift erinnert an die verstorbene Person. Für Muslime gibt es auch die Möglichkeit der Tuchbestattung.

Auf dem Kreuzbergfriedhof sind hinter dem Verwaltungsgebäude 90 Urnenwahlgräber mit Platz für jeweils bis zu 4 Urnen angelegt worden.
Auf dem Kreuzbergfriedhof sind hinter dem Verwaltungsgebäude 90 Urnenwahlgräber mit Platz für jeweils bis zu 4 Urnen angelegt worden. (Bild: Daniela Leberer)

Der Kreuzbergfriedhof rüstet auf

Um dem hohen Bedarf an Urnengräbern mit Pflanzfläche gerecht zu werden, werden aktuell auf dem Kreuzbergfriedhof hinter dem Verwaltungsgebäude 90 Urnenwahlgräber mit Platz für jeweils bis zu 4 Urnen sowie 24 Baum-Wahlgräber mit Platz für jeweils 2 Urnen angelegt. Zwei Ruhebänke zum Innehalten runden das Ganze ab.

Vorschriften wurden von der Stadt gelockert

Auch auf dem Friedhof gilt: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Auskünfte über die verschiedenen Grabarten und Nutzungsrechte – wie lange ein Grab von den Angehörigen angekauft wird, Ruhezeiten, Art und Pflege der Grabstätte uvm. weiß der ortsansässige Bestatter oder natürlich Herr Goos.

Die aktualisierte Friedhofsordnung hat die Vorschrift gelockert und macht auf dem Marienfriedhof nun eine variable Grabgestaltung möglich. Das heißt: Reihen- und Wahlgräber können auch noch nachträglich in sogenannte Rasengräber umgewandelt werden.

Sterben nicht als Tabuthema sehen

Bei diesen vielen Möglichkeiten ist es sicherlich kein Fehler, sich schon zu Lebzeiten Gedanken über die letzte Ruhestätte zu machen. Ein Spaziergang mit den Angehörigen über einen der zwei Friedhöfe in Weingarten kann nicht nur beruhigend, sondern durchaus auch interessant sein.