Umweltkatastrophe Fischsterben in der Oder verunsichert Region und Urlauber

Der Strand am Stettiner Haff.
Der Strand am Stettiner Haff. (Bild: Jens Büttner/dpa)

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Angesichts des massenhaften Fischsterbens in der Oder richtet sich der Fokus zunehmend auf das Stettiner Haff. Die Sorge wächst, dass verseuchtes Wasser die Ostsee erreichen könnte. Der Tourismus leidet.

Seelow/Greifswald (dpa) – Warnungen vor Gewässerverunreinigung, weniger Angler und ausbleibende Tagesausflügler: Das massenhafte Fischsterben in der Oder wirkt sich zunehmend auch auf den Tourismus in der Region rund um den Fluss aus.

Es gebe viel weniger Tagesausflüge und auch Menschen, die Reisen auf dem Oder-Neiße-Radweg noch nicht fest geplant hätten, nähmen gegenwärtig davon Abstand, sagte die Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Seenland Oder-Spree, Ellen Russig, der Deutschen Presse-Agentur.

In dem Verband ist auch der besonders betroffene Landkreis Märkisch-Oderland, der auf einer Länge von rund 80 Kilometern an der Oder zur Grenze nach Polen liegt. «Die Umweltkatastrophe wird langfristig Auswirkungen haben, wo wir gegensteuern müssen», machte Russig klar. Betroffen seien unter anderem der Angeltourismus und Kanu-Ausflüge. Ihren Angaben zufolge besteht der Tourismus in der Region zu 50 Prozent aus Tagesausflügen, die andere Hälfte seien Übernachtungen.

Bei der Tourist-Information Oderbruch und Lebuser Land stehen seit Bekanntwerden der Umweltkatastrophe die Telefone nicht mehr still, wie die Leiterin Angelika Fuchs berichtete. Zahlreiche Menschen, die Ausflüge geplant haben, erkundigten sich nach der Lage und ob es an der Oder gefährlich sei. Es gebe aber auch eine große Solidarität. «Ganz, ganz viele Menschen machen sich Gedanken und fragen, wie sie helfen können.»

Landkreis: Keine Gefahr fürs Baden in der Ostsee

Trotz aller Sorgen sah der Landkreis Vorpommern-Greifswalds am Mittwoch zunächst keine Gefahr fürs Baden in der Ostsee. «An den Ostseestränden der Sonneninsel Usedom herrschen weiter beste Badebedingungen», erklärte Landrat Michael Sack (CDU) am Mittwoch. Der Landkreis sei von der Situation in der Oder bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht betroffen, hieß es in einer Mitteilung.

Dennoch warnt der Landkreis weiterhin, das Wasser des deutschen Teils des Haffs zu nutzen. Demnach wird vom Angeln, Fischen und der Wasserentnahme abgeraten. Die Schweriner Landesregierung rät zudem vom Baden ab, da man trotz fehlender konkreter Hinweise gesundheitliche Schädigungen nicht ausschließen könne.

Die Oder mündet in das Stettiner Haff, durch das die deutsch-polnische Grenze verläuft und das mit der Ostsee vor Usedom verbunden ist. Das Mündungsgebiet ist weit verzweigt und das Haff mit rund 900 Quadratkilometern etwa doppelt so groß wie der Bodensee. Bislang sind nach offiziellen Angaben zumindest im deutschen Teil des Haffs keine Auswirkungen des Oder-Fischsterbens erkennbar geworden.

Aus der Oder wurden bereits etliche Tonnen an toten Fischen geborgen.
Aus der Oder wurden bereits etliche Tonnen an toten Fischen geborgen. (Bild: Patrick Pleul/dpa)

Die Ursache für das massenhafte Fischsterben in der Oder ist noch immer unklar. Die Umweltkatastrophe beunruhigt viele Menschen, die in Polen und Deutschland an dem Fluss leben. Seit Tagen sammeln Helfende tonnenweise Fischkadaver ein.

Keine toxischen Substanzen in Fischen entdeckt

In untersuchten Wasserproben sind nach Angaben von Polens Regierung bislang keine toxischen Substanzen entdeckt worden, die das Fischsterben verursacht haben könnten. In den Proben toter Fische seien zudem keine Hinweise auf Pestizide gefunden worden, sagte Polens Umweltministerin Anna Moskwa am Dienstag in Warschau.

Das Brandenburger Landesumweltamt hatte am Montag erste Laborergebnisse ausgewertet. Auf der Webseite des Landesumweltamts ließ sich ablesen, dass sich die Werte im Fluss vom 7. August an dramatisch veränderten. So schnellten der Sauerstoffgehalt, der pH-Wert, die Trübung und andere Werte schlagartig nach oben, während die Menge von Nitrat-Stickstoff deutlich abfiel.

Giftige Algenart identifiziert

Auf der Suche nach der Ursache für das massenhafte Fischsterben haben die Forscher weiter eine giftige Algenart im Blick, die sich im Fluss rasant entwickelt hat. Mittlerweile sei die Mikroalge mit dem Namen Prymnesium parvum identifiziert worden, sagte der Gewässerökologe Christian Wolter der Deutschen Presse-Agentur. «Die Art ist bekannt dafür, dass es gelegentlich zu Fischsterben kommt».

Unklar sei nach wie vor, ob das Toxin der Alge der Grund für das Fischsterben in der Oder sei. Ob sie in diesem Fall Giftstoffe produziert hat, müsse noch nachgewiesen werden, betonte der Forscher des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Er sprach von einer massiven Algenblüte mit 200 Mikrogramm pro Liter und mehr als 100.000 Zellen pro Milliliter Wasser. Für den Menschen sei das Toxin der Alge aber ungefährlich.

Eigentlich lebe die Algenart im Brackwasser, beschrieb Wolter. Das entsteht typischerweise an Flussmündungen, wo sich Süß- und Salzwasser vermischen. Doch in einem salzhaltigen Milieu könne sie gut wachsen, sagte der Gewässerökologe. Zudem brauche die Alge hohe PH-Werte. «Als Brackwasserart würde sie ansonsten in der Oder keine Massenentwicklung bilden».

Für den Fachmann besteht damit ein klarer Zusammenhang zwischen einer Salzeinleitung und der Algenentwicklung. Er persönlich glaube nicht an einen Unfall, sagte Wolter. Zunächst hatten mehrere Medien über die Alge berichtet, darunter der rbb und t-online.