Fieberhafte Suche nach U-Boot vor Bali

Fieberhafte Suche nach U-Boot vor Bali
Das U-Boot KRI Nanggala der indonesischen Marine fährt in den Gewässern vor Ost-Java (Luftbild aus einer indonesischen Marine-Hubschrauber). Das mit 53 Seeleuten an Bord vermisste indonesische Militär-U-Boot liegt vermutlich 600 bis 700 Meter unter Wasser. (Eric Ireng/AP/dpa)

WOCHENBLATT
WOCHENBLATT

Jakarta (dpa) – Es ist der absolute Horror. Gefangen auf engstem Raum, irgendwo auf dem Meeresgrund, während der Sauerstoff langsam schwindet.

Genau dieses Szenario erleben derzeit 53 Seeleute in dem indonesischen U-Boot «KRI Nanggala-402», das seit der Nacht zum Mittwoch nördlich von Bali im Ozean vermisst wird. Das Ende der 1970er Jahre in Kiel gebaute U-Boot war nach Angaben von Militärsprecher Julius Widjojono von seinem Heimathafen Surabaya auf Java zu einer Übung gestartet und sollte nach einigen Tagen dorthin zurückkehren.

Plötzlich aber brach der Kontakt ab. Schnell war klar: Das Meer in der Region ist sehr tief, was eine Rettung erheblich erschwert. «Wir vermuten, dass sich das U-Boot in einer Tiefe zwischen 600 und 700 Metern befindet», sagte Widjojono am Donnerstag. «Es ist dafür ausgelegt, bis zu einer Tiefe von 250 bis 500 Metern zu tauchen. Jenseits davon ist es gefährlich.» Möglicherweise sei durch den Wasserdruck der Treibstofftank beschädigt worden, so Widjojono. Ein Hubschrauber hatte in dem Gebiet einen Ölfleck im Meer entdeckt.

Die Marine sucht fieberhaft mit Spezialschiffen, Sonar und einem Hubschrauber nach dem Unterseeboot. Auch andere Länder aus der Region sind zu Hilfe geeilt. «Wir haben insgesamt maximal 72 Stunden Zeit», sagte der Admiral a.D. Soleman Ponto der Deutschen Presse-Agentur. Dann sei der Sauerstoff verbraucht. «Wenn es länger dauert, werden alle an Bord sterben», warnte der Experte.

Etwas optimistischer – zumindest was den zeitlichen Rahmen betrifft – gibt sich der U-Boot-Experte Frank Owen vom Submarine Institute of Australia. Die meisten Tauchboote seien mit allem ausgerüstet, damit die Crew mindestens sieben Tage überleben könne. «Dazu gehören spezielle Sauerstoffkerzen, die beim Verbrennen Sauerstoff abgeben, und Kanister mit Chemikalien, die Kohlendioxid entfernen, sobald Luft durch sie gespült wird», erklärt er. Zugleich räumt er ein: «An Bord dieses U-Bootes sollen sich aber 53 Personen befinden, 19 mehr als normal für dieses Schiff, so dass sich die Lebenserwartung proportional verringern würde.»

Schlimmer wiegt Owen zufolge die Tatsache, dass die «KRI Nanggala-402» nicht mit dem Equipment ausgestattet sei, um sich über die Notluke mit einem Rettungs-Tauchboot zu verbinden. «Daher gibt es keine Rettungsmöglichkeit», betont er. «Wenn das U-Boot aber in weniger als 180 Metern auf dem Meeresboden liegt, kann die Besatzung einzeln mit einem Spezialanzug entkommen. Unter 180 Metern gibt es jedoch keine Fluchtmöglichkeiten.» Das gesamte U-Boot zu heben sei in diesem Fall die letzte Möglichkeit, das aber sei ein sehr langer Prozess.

Malaysia schickte ein Schiff zur Unterstützung in die Gewässer des Nachbarlandes. Auch Singapur, das ebenso wie Australien über spezielle U-Boot-Rettungsschiffe verfügt, brachte seine «Swift Rescue» samt einem Ärzteteam auf den Weg in Richtung Bali. «Unsere inbrünstigen Gebete und Hoffnungen gelten der Besatzung von «KRI Nanggala», für ihre Sicherheit und ihr Durchhaltevermögen», schrieb Singapurs Verteidigungsminister Ng Eng Hen in einer Mitteilung.

Die australische Außenministerin Marise Payne kündigte an, ihr Land werde «unserem Nachbarn auf jede nur mögliche Art helfen». Die australischen Streitkräfte arbeiteten eng mit den Kollegen in Indonesien zusammen. «Natürlich sind wir sehr besorgt über die Berichte. Das ist sehr quälend für die Familien und insbesondere für die indonesische Marine», sagte Payne dem Sender ABC. Zweifellos seien Search and Rescue Operationen für U-Boote aber «sehr komplex».

Das verschollene U-Boot mit diesel-elektrischem Motor wiegt 1395 Tonnen, ist 59,5 Meter lang, 6,3 Meter breit und 5,5 Meter tief. Es wurde 1977 beim Unternehmen Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel bestellt und 1981 in Betrieb genommen. Die indonesischen Streitkräfte verfügen über insgesamt fünf Unterseeboote.

Zwei Aufsehen erregende Unterwasser-Unglücke aus jüngerer Zeit sind vielen noch in Erinnerung. Am 12. August 2000 wurde die «Kursk» – eines der modernsten Schiffe der russischen Kriegsflotte – bei einer Explosion während eines Manövers in der Barentssee schwer beschädigt. Versuche, das U-Boot K-141 zu bergen, scheiterten damals vor allem auch an der ungeeigneten russischen Technik. Die Führung weigerte sich aus «Gründen der Geheimhaltung» lange, ausländische Hilfsangebote anzunehmen. Alle 118 Seeleute an Bord starben.

Im November 2017 verschwand die argentinische «ARA San Juan» mit 44 Menschen an Bord auf der Fahrt von Ushuaia nach Mar del Plata. Vorausgegangen waren technische Probleme an Bord. Zwei Wochen später wurde die Besatzung offiziell für tot erklärt. Eine Suchmannschaft der privaten Firma Ocean Infinity ortete das gesunkene U-Boot erst ein Jahr später in mehr als 900 Metern Tiefe vor der patagonischen Küste. Geborgen wurde das Tauchboot nie. Argentinien verfüge nicht über die nötigen technischen Möglichkeiten, hieß es zur Begründung.