FDP bei Impfpflicht skeptisch und Spitzen gegen Grün-Schwarz

Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, spricht beim Dreikönigstreffen der Partei.
Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, spricht beim Dreikönigstreffen der Partei. (Bild: Uli Deck/dpa)

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Mit der Impfpflicht wird endlich wieder alles gut? Beim Dreikönigstreffen der FDP glaubt das kaum jemand. Einig ist man sich aber, dass Grün-Schwarz alles falsch macht.

Stuttgart/Fellbach (dpa/lsw) – Die FDP hat beim traditionellen Dreikönigstreffen erhebliche Bedenken gegenüber einer Impfpflicht gegen das Coronavirus gezeigt. Der Bundesvorsitzende Christian Lindner sagte, er sei bei der Impfpflicht weiter unentschieden. Der Landesvorsitzende Michael Theurer brachte verpflichtende ärztliche Beratungsgespräche für Ungeimpfte als Alternative ins Spiel. Neben der Debatte um die Impfpflicht teilten die Liberalen kräftig gegen die grün-schwarze Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) aus.

Lindner bei Impfpflicht unentschlossen

Parteichef Lindner zeigte sich am Rande des Dreikönigstreffens unentschlossen gegenüber der Impfpflicht. «Ich bin nicht mehr prinzipiell dagegen», sagte er. «Aber ich bin auch nicht positiv entschieden.» So kenne er etwa noch nicht die Gruppenanträge dazu im Bundestag. Zudem könne man aufgrund der Lageentwicklung rund um die Omikron-Variante des Coronavirus gegenwärtig noch nicht entscheiden. «Deshalb ist gut, dass wir uns noch etwas Zeit lassen», sagte Lindner. «Für die fünfte, für die Omikron-Welle, würde eine allgemeine Impfpflicht ebenfalls ja auch noch keinen Beitrag leisten.» Eine Impfpflicht bezeichnete er als empfindlichen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen, über das zu Recht ohne Parteilinien entschieden werden müsse.

Theurer und Rülke zweifeln an Sinn von Bußgeld

«Ich persönlich bin, was ein Bußgeld angeht, immer noch skeptisch, weil ich den Eindruck gewonnen habe, dass ein Bußgeld eingefleischte Impfgegner wahrscheinlich nicht dazu bringen wird, sich impfen zu lassen», sagte Theurer. Die Einladung zu einem Impftermin und die Verpflichtung zu einem Beratungsgespräch bei Ärzten und Ärztinnen könnten die Impfbereitschaft womöglich erhöhen. Einen Tag zuvor sprach Theurer auf dem Landesparteitag mit Blick auf die Impfpflicht von einer Gewissensentscheidung und warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft wegen der Corona-Maßnahmen.

Auch der FDP-Fraktionschef im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, sieht eine Impfpflicht gegen Corona kritisch. Ungeimpfte würden große Einschränkungen in Kauf nehmen, sagte Rülke in der pandemiebedingt fast leeren Stuttgarter Staatsoper. Es stelle sich daher die Frage, ob die vage Drohung einer Ordnungsstrafe Ungeimpfte überzeugen könnte. Für eine Impfpflicht brauche es zudem ein nationales Impfregister.

Über eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona soll der Bundestag voraussichtlich in freier Abstimmung ohne Fraktionsdisziplin entscheiden. Innerhalb der FDP im Bundestag regt sich aber Widerstand. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hatte Befürworter einer Corona-Impfpflicht zuletzt scharf kritisiert und ihnen Rache an Ungeimpften als Motiv unterstellt.

Auf dem Landesparteitag in Fellbach bei Stuttgart diskutierten die Delegierten am Mittwoch über eine 500-Euro-Prämie, um die Impfquote zu erhöhen. Einen entsprechenden Antrag lehnten die Delegierten jedoch mit großer Mehrheit ab.

In einem weiteren Antrag sprachen sich die Delegierten per Beschluss für eine Verringerung der Wahlkreise von 70 auf 60 in Baden-Württemberg aus, um eine Aufblähung des Landtags zu verhindern.

Abrechnung mit Grün-Schwarz

Die FDP regiert als Teil der neuen Bundesregierung gemeinsam mit der SPD und den Grünen. Trotz der neuen Konstellation im Bund teilten Rülke und Theurer kräftig gegen die Grünen im Land aus. Landeschef Theurer warf Grün-Schwarz eine Politik des Stillstands vor. «Der Ministerpräsident, den ich ja persönlich sehr schätze, er wirkt in manchen politischen Diskussionen zunehmend versteinert», sagte Theurer. «Die grün-schwarze Regierung hier ist zunehmend eine Stillstandskoalition.»

Rülke warf Kretschmann einen Anschlag auf die Demokratie vor. Kretschmann habe gesagt, man müsse über nicht verhältnismäßige Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie diskutieren, kritisierte Rülke. Wenn Kretschmann zudem erkläre, man müsse den Hyperliberalismus auf den Prüfstand stellen, dann sei das genau betrachtet ein «Anschlag auf die liberale Demokratie und die Verfassungsnormen dieses Landes». «Da will einer die parlamentarische Demokratie aushebeln und zu autoritären Strukturen zurückgehen.»

Kretschmann hatte im Sommer 2021 in einem Interview vorgeschlagen, harte Eingriffe in die Bürgerfreiheiten zu ermöglichen, um Pandemien schneller in den Griff zu bekommen. Nach heftiger Kritik an seinen Aussagen hatte er erklärt, dass er bedauere, dass das Interview zu «Missverständnissen» geführt habe – und dass er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nie in Frage stellen würde.

Die FDP stimmt sich mit ihrem Dreikönigstreffen in Stuttgart und dem Landesparteitag vor dem Feiertag traditionell auf das politische Jahr ein. Pandemiebedingt fand das Dreikönigstreffen zum zweiten Mal in Folge als Online-Veranstaltung statt. Im Stuttgarter Opernhaus, das sonst am 6. Januar bis auf den letzten Platz voll mit FDP-Anhängern ist, versammelte sich nur die FDP-Spitze. Rülke sprach von einem «Geisterspiel».