Fatal: Der Klimawandel hat sein Tempo enorm beschleunigt

Fatal: Der Klimawandel hat sein Tempo enorm beschleunigt
Der Klimawandel hat Auswirkungen auf sämtliche Weltregionen. In einigen Regionen kommt es häufiger zu extremen Wetterereignissen und zunehmenden Niederschlägen, während andernorts verstärkt extreme Hitzewellen und Dürren auftreten. (Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Haven Daley)

Es scheint, als ob die Welt klimatisch aus den Fugen gerät. Aktuell sorgen schwere Waldbrände in der Türkei, Griechenland und Sibirien, aber Sturzfluten mit verheerenden Zerstörungen in Deutschland Holland und Belgien für eine große mediale Aufmerksamkeit. Diese wurde nun am Montag, 9. August, durch die Vorstellung des Sachstandberichtes des Weltklimarates weiter befeuert.

Nach dessen Expertise wird die drohende Erderwärmung um 1,5 Grad bereits 2030, also 10 Jahre früher als bisher angenommen, erreicht. Damit stellen sich Fragen, welche Auswirkungen dieser enorme Temperaturanstieg auf die Natur und die Menschen hat: Können die deutschen Küsten und Inseln in der Nord- und Ostsee gehalten werden, welchen Krankheiten und gesundheitliche Belastungen sind wir Menschen ausgesetzt, was sind Ursachen für diese enorm beschleunigte Entwicklung? Wir haben dazu Ämter und Experten nach ihrer Meinung befragt.

Klimaverhältnisse wie in Oberitalien

Hubert Moosmayer, Amtsleiter beim Kreisforstamt Biberach, weist darauf hin, dass schon bei einem Temperaturanstieg von nur einem Grad, große klimatische Veränderungen feststellbar seien. „Im Grundsatz ist alles bekannt. Wenn wir von unserer Gegend als Modell ausgehen und die Durchschnitts-Temperatur steigt um zwei Grad, gibt es bei uns Temperaturen wie im Breisgau oder in Oberitalien. Steigt sie um drei Grad an, rutscht die Vergleichszone tiefer Richtung Mittelitalien. Dann wachsen bei uns z. B auch Esskastanien.“

Hitzewellen sind für Ältere und Vorerkrankte gefährlich

Auch die Bundesärztekammer weist darauf hin, dass gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels betrifft bereits heute viele Menschen weltweit betreffen. In einer Pressemitteilung heißt es eindeutig: „Immer häufiger kommt es zu Hitzewellen in Deutschland, die vor allem für ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen tödlich verlaufen können. Hinzu kommen weitere Gesundheitsgefahren durch Extremwetter oder neuartige Krankheitserreger.“

Die negativen Folgen der klimatischen Veränderungen und ihre Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit der Menschen besorgen auch Dr. Monika Spannenkrebs, Chefin des Kreisgesundheitsamtes Landkreis Biberach: „Direkte gesundheitliche Auswirkungen sind bei Hochwasser-/ Starkregenereignissen oder starken Gewittern und Orkanen zu erwarten, die für den Menschen wie es auch Deutschland in den letzten Wochen erleben musste lebensgefährlich werden können und schwere Verletzungen oder Todesfälle bedingen können. Hinzu kommen die psychischen Belastungen und traumatischen Folgen solcher Ereignisse.“

Dr. Monika Spannenkrebs (Bild: biberach.de)
Stellungnahme von Frau Dr. Spannenkrebs, Kreisgesundheitsamtes Landkreis Biberach

Klimaveränderungen wie sie der Weltklimarat als mögliche Szenarien beschreibt, gehen von einer Zunahme von Extremwettererscheinungen aus, die direkte und indirekte gesundheitliche Auswirkungen haben können.

Direkte gesundheitliche Auswirkungen sind bei Hochwasser-/ Starkregenereignissen oder starken Gewittern und Orkanen zu erwarten, die für den Menschen wie es auch Deutschland in den letzten Wochen erleben musste lebensgefährlich werden können und schwere Verletzungen oder Todesfälle bedingen können. Hinzu kommen die psychischen Belastungen und traumatischen Folgen solcher Ereignisse.

Auch extreme Hitzeperioden sind für den menschlichen Organismus sehr belastend, wenn in seiner Umgebung keine Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. Die Beschattung der Grundstücke/ Innenstädte durch Bepflanzung, Kühlung der Räume u. ähnliche Maßnahmen sind hier sehr hilfreich ebenso wie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Manche Städte stellen in extremen Hitzeperioden bereits Kalträume für die Bürger zur Verfügung.

Wenn im Rahmen von Hitzeperioden Feuer ausbrechen kommen neben der Bedrohung von Leib und Leben durch das Feuer selber gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Rauchentwicklung hinzu.

Indirekte gesundheitliche Auswirkungen können ebenso durch nachteilig veränderte Umweltbedingungen als Folge von Klimaänderungen auftreten. Hierzu gehört beispielsweise die Beeinträchtigung der Qualität des Trinkwassers nach Starkregen/ Hochwasser oder nachteilige Auswirkungen auf die Ernten. Auch die Zerstörung der Infrastruktur im Rahmen von katastrophalen Wetterereignissen wie etwa der Kläranlagen können gesundheitliche Auswirkungen haben, da dadurch vermehrt mit Krankheitserregern im Oberflächenwasser und in überschwemmten Anbauflächen für Nahrungsmittel zu rechnen ist.

Bereits beobachtet wird die Neuverbreitung tierischer Krankheitsüberträger, sogenannter Vektoren wie beispielsweise Stechmücken in Regionen, in denen diese bisher aufgrund eines eher gemäßigten Klimas nicht auftraten. Damit verbunden ist die Gefahr, dass bisher eher in tropischen Regionen beheimatete Viruserkrankungen auch in anderen Regionen durch die Stechmücken übertragen werden. Ein Beispiel hierfür ist die asiatische Tigermücke, die virale Erkrankungen wie das Denguefieber übertragen kann, was mittlerweile auch in Südeuropa beobachtet wird. In Deutschland wird das Risiko einer Übertragung von Viren durch die asiatische Tigermücke derzeit vom Umweltbundesamt jedoch als gering erachtet, da das Vorkommen der asiatischen Tigermücke noch begrenzt ist und sehr wenige Personen in Deutschland tropische Viruserkrankungen haben (bisher alle reiseassoziiert erworben), die dann von den Stechmücken weitergegeben werden könnten.

Stellungnahme der Bundesärztekammer

Die Klimakrise macht krank – vier Vorschläge für eine gesunde Zukunft

Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels betreffen bereits heute viele Menschen weltweit. Immer häufiger kommt es zu Hitzewellen in Deutschland, die vor allem für ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen tödlich verlaufen können. Hinzu kommen weitere Gesundheitsgefahren durch Extremwetter oder neuartige Krankheitserreger.  Expertinnen und Experten verschiedener Fachdisziplinen fordern deshalb im „Lancet Countdown 2020“ von den politisch Verantwortlichen entschiedene Maßnahmen zur Erreichung der UN-Klimaschutzziele sowie zum Abwenden klimabedingter Gesundheitsschäden.

Der Lancet Countdown 2020 wird am 03.12.2020 veröffentlicht. Der jährliche Bericht zu Klima und Gesundheit wird von der international renommierten medizinischen Fachzeitschrift „Lancet“ herausgegeben. Erstellt wurde er von weltweit 38 führenden akademischen Institutionen und UN-Organisationen. Flankiert wird der internationale Bericht von einem wissenschaftlichen Politikpapier (Policy Brief) für Deutschland. Projektpartner sind die Bundesärztekammer, das Institut für Epidemiologie des Helmholtz Zentrums München, die medizinische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, die Charité – Universitätsmedizin Berlin und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Die Organisationen betonen, dass die Corona-Pandemie die medizinischen, die gesellschaftlichen und auch die wirtschaftlichen Folgen einer globalen gesundheitlichen Krise deutlich vor Augen geführt habe. Die Krise zeige aber auch, wie wichtig weltweite wissenschaftliche Zusammenarbeit und entschlossenes politisches Handeln bei der Krisen-Bewältigung sind. Nach Überzeugung der Projektpartner lässt sich daraus viel für die Bekämpfung des Klimawandels lernen.

Dr. med. Klaus Reinhardt Präsident der Bundesärztekammer
(Foto: HOFFOTOGRAFEN)

„Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten ist es, die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels darzulegen und Gegenmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit nicht nur zu fordern, sondern aktiv zu unterstützen. Dafür leistet der Deutschland-Bericht des Lancet-Countdown mit zahlreichen Empfehlungen für die Politik einen wichtigen Beitrag“, sagt Dr. Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer.

Das Politikpapier für Deutschland stellt mehrere Punkte heraus, für die dringender Handlungsbedarf gesehen wird:

  1. Erfolgreicher Klima- und Gesundheitsschutz sowie eine aktive Wirtschaftspolitik hängen voneinander ab und können sich gegenseitig verstärken. Deshalb sollten bei Initiativen zur Stärkung und zum Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie Synergieeffekte für den Klimaschutz genutzt werden. Andernfalls drohten drastische Folgen für Leben und Gesundheit sowie eine Negativ-Entwicklung, die auch das Schicksal künftiger Generationen prägen wird. „Gesunde Menschen auf einem gesunden Planeten, darum geht es. Wir sollten die Milliarden an kurzfristigen Coronahilfen für die Wirtschaft nutzen, um gleichzeitig auch etwas gegen die langfristige Klimakrise zu tun“, sagt Prof. Dr. Dr. Sabine Gabrysch, die die erste Universitätsprofessur für Klimawandel und Gesundheit an der Charité innehat und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Abteilung „Klimaresilienz“ leitet.
  2. Die Ernährung ist ein wichtiger Faktor, mit dem jede Bürgerin und jeder Bürger Einfluss auf das Klima nehmen kann. Die Nahrungsmittelproduktion ist für etwa ein Viertel der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich – wichtigster Faktor ist hierbei die Tierhaltung. Gleichzeitig hat unsere Art der Ernährung, mit einem großen Anteil tierischer und hoch verarbeiteter Lebensmittel, großen Anteil an chronischen und lebensbedrohenden Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden, Rheuma und Krebs. „Die Umsteuerung auf eine gesunde und nachhaltige Ernährungsweise ist gleichzeitig klimafreundlich“, so Prof. Dr. Annette Peters, Direktorin des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München. „Gemeinsam mit mehr aktiver Bewegung kann das den hohen Anteil nicht-infektiöser Krankheiten (NCDs) deutlich reduzieren.“
  3. In Europa ist der Verkehrssektor für etwa ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Immer deutlicher wird, dass Luftverschmutzung auch ein erheblicher Risikofaktor für viele Krankheiten ist, vermutlich auch für Covid-19. Nicht-motorisierte Bewegung hingegen wirkt dem Klimawandel entgegen, senkt die Luftverschmutzung und fördert gleichzeitig die Gesundheit. Eine konsequent auf Emissionsverringerung ausgerichtete Verkehrspolitik mit fußgängerfreundlichen Straßen, Radwegen und einem nutzerfreundlichen öffentlichen Personennahverkehr ist deshalb zentral für Gesundheit und Klima. Hier zeigt sich erneut die wichtige Rolle, welche die Kommunen in der nötigen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft einnehmen.
  4. Urbane Räume heizen nicht nur das Klima auf, sie haben gleichzeitig das Potenzial, den notwendigen transformativen Wandel zur Nachhaltigkeit massiv voranzutreiben. Das städtische Umfeld nimmt entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit der Bewohner. Lokale und kommunale Maßnahmen können diese Räume so transformieren, dass sie die Gesundheit fördern, während sie gleichzeitig die soziale, ökonomische und ökologische Entwicklung vorantreiben. Umwelt- und Gesundheitseffekte müssen deshalb in die Stadt- und Regionalplanung integriert werden.

„Ziele zu formulieren, reicht nicht aus – wir müssen handeln, jetzt!“, sagt Dr. Martin Herrmann, Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) und Mitautor des Berichts. „Bei den Gesundheitsberufen ist die Dringlichkeit des Themas angekommen. Auch Politik und Gesellschaft haben durch die Pandemie erkannt, wie dramatisch sich die Welt verändern kann.“

Deicherhöhungen und weitere Maßnahmen

Mit anderen Gefahren leben die Küsten- und Inselbewohner an der deutschen Nord- und Ostsee. Steigende Meeresspiegel sind eine zunehmende Gefahr für die Urlaubsregionen.

Warum die auch künftig erforderlichen Investitionen in den Küstenschutz wichtig für Niedersachsen sind, belegt der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz mit Zahlen: Insgesamt schützen heute 603 km Hauptdeiche auf dem Festland, 19 Sperrwerke, 566 km Schutzdeiche sowie 35 km Hauptdeiche und 97 km Schutzdünen auf den Inseln eine Fläche von 6.500 km² und Sachwerte von 129 Milliarden Euro. 

„Wir reden von einer 1.300 Kilometer langen Schutzlinie“, so Prof. Frank Thorenz.

Presseinformation des NLWKN

Klimawandel: NLWKN sieht Küstenschutzstrategie des Landes durch IPCC-Bericht bestätigt

Norden.  Als Antwort auf einen 2019 vorgestellten Sonderbericht des Weltklimarates IPCC hatte Niedersachsen in diesem Jahr ein neues Vorsorgemaß im Küstenschutz  und den Niedersächsischen Klimadeich eingeführt. Der gestern veröffentlichte erste Teil des neuen IPCC-Untersuchungsberichts „Climate Change 2021: The Physical Basis“ bestätigt nach Ansicht des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) diese eingeschlagene Strategie im Küstenschutz. Die Anpassung an den Klimawandel erfordere in Niedersachsen aber nicht nur die Erhöhung der Deiche, so der Landesbetrieb in Norden: Auch eine nachhaltige Anpassung des gesamten Küstenschutzsystems sei erforderlich.

Der Sachstandsbericht des IPCC zeigt für das ungünstige SSP5-8.5 Szenario eine wahrscheinliche Bandbreite des Meeresspiegelanstieges bis zum Jahr 2100 von 0,63 m bis 1,02 m. Die Werte bewegen sich damit in der Größenordnung jenes Szenarios aus dem Sonderbericht von 2019 (RCP 8.5), welches bisher von den Küstenländern für Vorsorgezwecke verwendet wurde“, erläutert Prof. Frank Thorenz, Küstenschutzexperte des NLWKN und Leiter der Betriebsstelle Norden, die am Montag in Genf präsentierten jüngsten Erkenntnisse. Zusätzlich werden im Bericht noch Szenarien mit geringer Wahrscheinlichkeit dargestellt, die von höheren Anstiegsraten ausgehen, sowie längerfristige Projektionen aufgezeigt.

Prof. Franz Thorens (Bild: Lippe)

Im Juni hatte der NLWKN im Rahmen einer Pressekonferenz das neue Vorsorgemaß für Deiche von einem Meter und den Niedersächsischen Klimadeich vorgestellt. „Der Niedersächsische Klimadeich in Erdbauweise gewährleistet als technischer Standard ein hohes Maß an Flexibilität“, so Thorenz. Über die zusätzliche Nacherhöhbarkeit um einen weiteren Meter im Deichquerschnitt könne der Küstenschutz für den Fall noch ungünstigerer oder bisher nicht absehbarer Entwicklungen langfristig gewährleistet werden. Ferner werden die für den Küstenschutz relevanten Größen über Monitoringprogramme systematisch erfasst und bewertet. Diese bilden eine Grundlage für die regelmäßige Überprüfung der erforderlichen Deichhöhen.

Warum die auch künftig erforderlichen Investitionen in den Küstenschutz wichtig für Niedersachsen sind, belegt der NLWKN mit Zahlen: Insgesamt schützen heute 603 km Hauptdeiche auf dem Festland, 19 Sperrwerke, 566 km Schutzdeiche sowie 35 km Hauptdeiche und 97 km Schutzdünen auf den Inseln eine Fläche von 6.500 km² und Sachwerte von 129 Milliarden Euro. „Wir reden von einer 1.300 Kilometer langen Schutzlinie. Wegen der hohen Risiken, der zeitlich verzögerten Reaktion und der Unumkehrbarkeit des Anstiegs ist trotz der bestehenden Unsicherheiten eine Berücksichtigung des zukünftigen Meeresspiegelanstiegs in Planungsprozessen bereits heute unerlässlich“, so Thorenz.

Der NLWKN richtet den Blick im Rahmen seiner Planungen dabei nicht nur auf die niedersächsischen Deiche. „Wir betrachten immer das gesamte Küstenschutzsystem von den Inseln über die Deichvorländer und Deiche bis hin zur zweiten Deichlinie“, so Thorenz. Ein besonderer Fokus liege neben Deichen und massiven Bauwerken auch auf dem Erhalt und der Entwicklung natürlicher und naturnaher Küstenschutzelemente wie Dünen und Salzwiesen und deren Ökosystemleistung. Der Erhalt von Salzwiesen und deren Sicherung gegen zunehmenden Rückgang im Einklang mit Zielen des Naturschutzes bildet einen wesentlichen Baustein des Deichvorlandmanagements. Für den Schutz sandiger Küsten gegen fortschreitende Sandverluste wird – wo möglich – das Prinzip des „Bauens mit der Natur“ („Building with nature“) angewandt. „Sandaufspülungen und naturnahe gestaltete Dünenverstärkungen sind hier ein erprobtes nachhaltiges Instrument“, erläutert Thorenz.

Als Teil der Klimaanpassungsstrategie im Küstenschutz wird über das Landesraumordnungsprogramm zudem die Ausweisung von Flächen für die Klei- und Sandgewinnung festgelegt, um zukünftige Materialbedarfe zu sichern. Gleichzeitig gelte es, Planungsräume für den Küstenschutz von anderen Nutzungen frei zu halten. Für die tidebeeinflussten Schutzdeiche bildet eine Weiterentwicklung von Schutzdeichsystemen durch die Schaffung von Retentionsräumen in Kombination mit Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes ein Hauptziel.

„Diese und weitere Bausteine der Klimaanpassung und des Hochwasserrisikomanagements sind Bestandteil der Generalplanung Küstenschutz, die Niedersachsen zusammen mit Bremen in engem fachlichen Austausch mit den Küstenbundesländern, den Nordseeanrainern und Forschungseinrichtungen fortlaufend vorantreibt“, ergänzt NLWKN-Geschäftsbereichsleiter Planung und Bau Jörn Drosten. Den heute erreichten hohen Sicherheitsstandard im Küstenschutz als Lebensgrundlage des Menschen langfristig und nachhaltig zu gewährleisten stelle gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels eine Daueraufgabe dar.

Nicht nur Deiche stehen im Fokus der Küstenschützer: Durch Sandaufspülungen wie hier auf Langeoog wird der Sturmflutschutz auf den Inseln regelmäßig verbessert. Für das Festland erfüllen die Inseln selbst eine wichtige Schutzfunktion (Bild NLWKN).
Der niedersächsische Klimadeich hier in der Ausführung eines Schardeichs. Gut im Schaubild erkennbar: Die Nacherhöhbarkeit binnen um einen weiteren Meter (Grafik NLWKN).

Weiterführende Informationen:

Klimawandel und Küstenschutz: Ein entscheidender Meter mehr | Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (niedersachsen.de)

Zahlen und Daten aus der Wasserwirtschaft:

Zahlen aus Wasserwirtschaft und Naturschutz 2020/2021 | Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (niedersachsen.de)

Oberschwabens Wetterexperte Roland Roth sieht sich bestätigt

Roland Roth ist von den vorgestellten Ergebnissen nicht überrascht: „Ich selbst referiere seit 1982 über den Klimawandel und sehe besorgt, wie rasch dieser vonstattengeht. Er wird sich weiter verstärken und sein Tempo beschleunigen. Die Wetterextreme in alle Richtungen nehmen unverkennbar zu, der Klimawandel lässt grüßen.

Stellungnahme von Roland Roth

Dass der Klimawandel unsere Lebengrundlage in der gewohnten Form in Frage stellt, ist mir schon längst klar. Darauf weise ich schon seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig und eindringlich hin. Dass der Weltklimarat erneut und dieses Mal noch eindringlicher als zuvor diese lebensbedrohliche Gefahr thematisiert, okay! Aber dass sich nun umgehend Grundsätzliches ändern wird, glaube ich nicht. Viele Menschen werden auch weiterhin die Augen davor verschließen und nicht wenige auch künftig bedenken- und gedankenlos mit dem allradgetriebenen Geländewagen zum Bäcker nebenan fahren. Neben Burundi, Afghanistan, Myanmar und Nepal ist Deutschland außerdem ja eins der ganz wenigen Länder dieser Erde, in denen es kein generelles Tempolimit auf Autobahnen gibt. Eine völlig be-scheuer-te Verkehrspolitik, bei der noch kaum etwas von einer wirklichen Wende zu erkennen ist.

Die Problematik ist „kalter Kaffee“ und den Politikern selbstverständlich schon ewig lange bekannt. Hermann Flohn, ein bedeutender und weltweit anerkannter deutscher Meteorologe, hat bereits in den 60er Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass der Mensch in das Klimagefüge eingreife und es verändere und die vom US-Präsidenten Jimmy Carter 1977 in Auftrag gegebene Umweltstudie ‚Global 2000‘ hat dies nachdrücklich bestätigt. Bernd Schmidbauer (CDU) hat als Vorsitzender der Enquête-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ bereits vor dreißig Jahren den deutschen Politikern, wissenschaftlich untermauert, ins Stammbuch geschrieben, dass sie rechtzeitig Vorsorge zum Schutz des Klimas treffen sollten.

Ich selbst referiere seit 1982 über den Klimawandel und sehe besorgt, wie rasch dieser vonstattengeht. Er wird sich weiter verstärken und sein Tempo beschleunigen. Insofern sind für mich die Erkenntnisse des Weltklimarates alles andere als überraschend. Die Wetterextreme in alle Richtungen nehmen unverkennbar zu. Der Klimawandel lässt grüßen, selbst die, welche den Gruß nicht wahrnehmen und die Fakten nicht sehen wollen.

Geschehen ist bis heute kaum etwas. Im Gegenteil! Mich erinnert dies an einen riesigen Öltanker, der, um in den Hafen von Rotterdam sicher einfahren zu können, bereits weit draußen auf dem Meer die Maschinen auf Stopp stellen muss. Wir geben, trotz besseren Wissens, dagegen noch Vollgas. Es ist nicht mehr fünf vor sondern längst fünf nach zwölf.

Vor 12.000 Jahren, erdgeschichtlich gesehen also gestern, lag der Bodensee noch unter einem mächtigen Gletscher, der wie eine überdimensionale Planierraupe die Landschaft formte und modellierte. An dessen Nordrand schauten die Rentierjäger an der Schussenquelle auf das zurückweichende Eismeer, aus dem der Gipfel des Pfänders als Nunataker herausragte. Damals war es „lediglich“ viereinhalb bis fünf Grad kälter als 1970. Seit dem, also in den letzten 50 Jahren sind die Temperaturen weltweit um ein Grad Celsius angestiegen. Bei uns in der Region dagegen bereits um eineinhalb bis zwei Grad. Also eine Erwärmung im Zeitraffertempo. Wärmere Luft kann aber auch mehr Wasserdampf aufnehmen. Das Energiepotenzial, die Power in der Wetterküche hat zugenommen. Wir sind klimatisch gesehen vom gemächlichen VW-Käfer früherer Zeiten auf die SUV-Turbo-Kiste umgestiegen.

Roland Roth, Wetterwarte Süd

Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes

Auch der Deutsche Bauernverband gab zur Veröffentlichung des ersten Teils des UN-Weltklimaberichts sein Einschätzung ab. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, stellt dabei fest: „Mit dem fortschreitenden Klimawandel sind auch in Deutschland und Europa häufigere Extremwetterereignisse vorprogrammiert. Eine konsequente Klimapolitik und ambitionierte Maßnahmen zum Klimaschutz sind also auch erforderlich, um Ernten zu sichern. Es besteht die Herausforderung, die Ernährungssicherung mit dem 1,5 Grad-Ziel in Einklang zu bringen. Aus Sicht der Landwirtschaft müssen neben den bereits eingeleiteten Maßnahmen zum Klimaschutz auch in gleicher Weise geeignete Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel ergriffen werden. Dazu gehören ein zusätzliches Risikomanagement-Instrumentarium, die Förderung klimaeffizienter Anbauverfahren, ein Ausbau der Bewässerungs-Infrastruktur und die Anwendung neuer Methoden in der Pflanzenzüchtung. Klimaschutz und Klimaanpassung müssen Hand in Hand gehen.“

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
(Foto: DBV / Breloer)

Auch die Politik scheint erschrocken

MdL Andrea Bogner-Unden (Grüne) kann ihre Betroffenheit nicht verhehlen: „Ich kann nur hoffen, dass es nicht schon nach 12 Uhr ist und es ist sehr wichtig, dass wir sofort handeln, sofort umdenken und sofort aktiv werden in allen Bereichen.“ Ihrer Meinung nach, hätten nur die Grünen eine passende Antwort auf den Klimawandel und schielt auf die Verhältnisse nach der Bundestagswahl: „Es ist wichtig, dass wir ab September auf Bundesebene die Politik mitbestimmen!“ Kurz und knapp antwortet Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen), die für den Bundestag im Wahlkreis Biberach bewirbt: „Die vorgestellten Ergebnisse sind erschreckend!“

Als alarmierend sieht MdL Klaus Burger (CDU) den Bericht des Weltklimarates an: „Es ist richtig, wie wir das Thema Klimaschutz bei uns in Baden-Württemberg angehen. Das haben wir erkannt und hatten es als ersten und zentralen Punkt in unser Wahlprogramm geschrieben, es wurde jetzt auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Jetzt gilt es, auf allen Ebenen die Reduktionsziele mit wirksamen Maßnahmen zu unterlegen. Bei aller gebotenen Eile gilt es aber besonnen, rational mit dem Blick für das Machbare vorzugehen. Dazu braucht es eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Energiewende, aber auch die Beschleunigung von Verfahren, die der CO2-Reduktion dienen. Allerdings müssen wir auch weltweit und auf internationaler Ebene weiterkommen. Es reicht nicht, wenn wir lediglich in Deutschland oder Europa die Klimaziele weiter verschärfen. Wir müssen auch darauf drängen, dass die internationale Gemeinschaft sich dem Kampf gegen die Erderwärmung gemeinsam stellt.“