„Fahrzeiten von 30 Minuten zur Geburtsklinik stellen kein höheres Risiko dar“

Dr. Jan-Ove Faust, Geschäftsführer der Kreiskliniken
Dr. Jan-Ove Faust, Geschäftsführer der Kreiskliniken (Bild: PR)

Die Stadtverwaltung Bad Saulgau, der Gemeinderat und auch der Krankenhausförderverein haben sich nach der temporären Schließung der Geburtsklinik mächtig ins Zeug gelegt, um den Personalmangel bei Hebammen zu beseitigen. Diese fehlende Personalausstattung wurde von der Geschäftsführung der SRH Kreiskliniken Landkreis Sigmaringen als Hauptgrund für die Schließung der Geburtsklinik angeführt. Mittlerweile konnten die Saulgauer eine ganze Reihe von erfolgreichen Gesprächen mit Hebammen führen.

Das Wochenblatt wollte nun vom Dr. Jan-Ove Faust, Geschäftsführer der Kreiskliniken u. a. wissen, ob diese hoffnungsgebende Personalsuche zu einer zeitnahen Wiedereröffnung der Saulgauer Geburtsklinik führt.

Herr Dr. Faust. wird die Geburtsstation in Saulgau wieder geöffnet und ggf. ab wann?

Als die Geburtshilfe in Bad Saulgau zum 1.7.2021 temporär aufgrund des Personalengpasses bei den Hebammen geschlossen werden musste, haben die 3 Gesellschafter sich darauf verständigt, in jedem Fall die Station wieder zurückzuverlegen, sobald wieder genügend Hebammen da sind. Der Betrieb soll dann weitergeführt werden bis ggf. durch ein Medizinisches Konzept eine Entscheidung fällt, die den Standorterhalt tangiert.

Aktuell haben wir noch nicht genügend Personal, um die Geburtshilfe wieder zu öffnen. Bislang konnten durch die Personalanwerbungsaktivitäten von der Stadt Bad Saulgau und dem Förderverein Krankenhaus Bad Saulgau e. v. Hebammen im Beschäftigungsumfang von mittlerweile knapp über 3 Vollkräften für einen Einsatz in der Bad Saulgauer Geburtshilfe gewonnen werden. Doch die interessierten Hebammen möchten im Hinblick auf ein Beleghebammensystem in einer anderen Schichtorganisation arbeiten, als es mit unseren derzeit tarifvertraglich tätigen Hebammen möglich ist. Trotzdem hatten wir uns darauf geeinigt, die neue Organisation zu verfolgen.

So haben wir zwar bislang neue Hebammen gewonnen, weil aber die anderen unter diesen Bedingungen nicht weiterarbeiten möchten, wurde ein Problem gegen ein anderes ausgetauscht, aber nicht das grundsätzliche Problem des Hebammenmangels behoben. Im Ergebnis haben wir wegen der geänderten Rahmenbedingungen nichts gewonnen. Entscheidend für den Personalbedarf ist die Summe der Beschäftigungsanteile und nicht die Zahl der teilnehmenden Hebammen.

Haben die durch die Bemühungen der Stadt/Gemeinderat/Förderverein akquirierten zusätzlichen Hebammen eine Chance auf Weiterbeschäftigung, falls die Saulgauer Klinik tatsächlich geschlossen wird?

Bei einer Standortschließung werden mit allen Beschäftigten Gespräche geführt ihnen ein Angebot unterbreiten. Dies wurde auch bereits in unseren Mitarbeiterversammlungen und bei der Bürger*innen-Informationsveranstaltung am 24.09.2021 eindeutig kommuniziert.

In der Kreistagssitzung prognostizierten Sie, dass nur etwa ein Drittel der in Saulgau geplanten Geburten in Sigmaringen stattfinden werden. Wo gehen die Schwangeren zur Entbindung dann hin?

Die Schwangeren gehen in die anderen Krankenhäuser.

Sehen Sie diese Kliniken für die zusätzlichen Geburten als gerüstet an und wieviel Risiko ist mit den deutlich weiteren Anfahrtswegen / längeren Fahrtzeiten verbunden?

Die Informationen, ob und inwieweit Kliniken aus angrenzenden Landkreisen für ein mehr an Geburten gerüstet sind, können nicht wir für diese Kliniken beantworten. Bzgl. der angesprochenen Fahrtzeiten weisen wir darauf hin, dass im Flächenlandkreis Sigmaringen bereits heute viele Einwohner eine Anfahrtszeit von ca. ½ Stunde zur nächstgelegenen Geburtshilfe haben und wir darin keine höheres Geburtsrisiko sehen.

Es gibt Bürger*Innen, die den Erweiterungsbau in SIG mit über 150 Betten als Startsignal / Grund für die Schließung der anderen Standorte sehen. Was sagen Sie zu den Vermutungen?

Diese Vermutung ist falsch und der Sachverhalt deutlich komplexer. Die Entscheidung über einen Neubau am Standort Sigmaringen wurde von den drei Gesellschaftern – SRH Gesundheit GmbH, Landkreis Sigmaringen, Spitalfonds Pfullendorf – in 2017 getroffen. Das Gebäude in Sigmaringen war knapp 40 Jahre alt, ebenso die Infrastruktur.  Es war deutlich, dass dies den gestiegenen Ansprüchen und Anfordernissen an eine stationäre Gesundheitsversorgung, sei es von Seiten der Patienten, des Personals, nicht mehr gerecht wird. In diesem Jahr wurde zudem auch der Bettenbau in Bad Saulgau eröffnet. Die erforderlichen rund 6,8 Millionen hätten die Gesellschafter sicher nicht investiert, wenn die Standortschließung beabsichtigt gewesen wäre.

In 2017 wurde von den Gesellschaftern erneut der Erhalt der drei Standorte als Zielbild beschlossen. Durch spezielle medizinische Angebote sollten die kleineren Krankenhäuser zukunftsfähig aufgestellt werden. Doch seither haben sich entscheidende Veränderungen im Gesundheitsmarkt vollzogen, die bei den Gesellschafterentscheidungen nicht absehbar waren. Hierzu gehören neue gesetzliche Vorgaben für Krankenhäuser, ebenso die sich bundesweit rückläufig entwickelnden Fallzahlen. Die Zeiten des stetigen Patientenzuwachses waren vorbei. Ursächlich dafür ist z.B. der medizinische Fortschritt, welcher es ermöglicht, immer mehr bislang stationäre Behandlungen auch ambulant durchzuführen. Da der Versorgungsauftrag der Krankenhäuser jedoch die stationäre Versorgung ist, erhalten sie auch ausschließlich nur dann ihre Leistungen von den Krankenkassen vergütet, wenn sie Behandlungen durchführen, die man nur stationär und nicht ambulant durchführen kann.

Verliert der Klinikverbund nur Zeit durch das zusätzlich angeforderte Gutachten, oder sehen Sie dies als Chance?

Sicher erfordert die Einholung einer Zweitmeinung, um Chancen und Risiken noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, zusätzliche Zeit.  Doch die beiden Gesellschafter Landkreis Sigmaringen und Spitalfonds Pfullendorf haben sich für diese Vorgehensweise entschieden und dies respektiert der Gesellschafter SRH. Die Entscheidung über ein Medizinisches Zukunftskonzept kann nur einvernehmlich getroffen werden.

Was sagen Sie der mittlerweile auch der Politik angekommenen Meinung, dass die Privatisierung der Kliniken ein großer Fehler war?

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