EU mit neuer Eingreiftruppe – Deutschland bietet Soldaten an

Militärfahrzeuge auf einem Bundeswehr-Gelände in Sachsen, wo bislang eine Nato-Eingreiftruppe stationiert ist.
Militärfahrzeuge auf einem Bundeswehr-Gelände in Sachsen, wo bislang eine Nato-Eingreiftruppe stationiert ist. (Bild: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa)

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Schon vor dem Krieg in der Ukraine arbeitete die EU an einem neuen sicherheitspolitischen Konzept. Nun geht es schnell. Wird Europa durch die neue Truppe militärisch handlungsfähiger?

Brüssel (dpa) – Die EU bekommt eine neue militärische Eingreiftruppe, die spätestens 2025 einsatzbereit sein soll. Der multinationale Verband mit bis zu 5000 Soldaten ist Teil eines neuen sicherheitspolitischen Konzepts, das die Außen- und Verteidigungsminister der 27 Mitgliedstaaten beschlossen.

Darin wird festgelegt, welche Fähigkeiten die EU künftig beim Management von Konliktsituationen haben muss.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bot den EU-Partnern an, dass Deutschland 2025 den Kern der neuen Einsatztruppe stellt. Es sei wichtig, klar das Signal zu senden, dass man füreinander einstehe, sagte die SPD-Politikerin in Brüssel. Lambrecht bezeichnete die geplante Eingreiftruppe als «militärisches Herzstück» des Konzepts, das offiziell Strategischer Kompass genannt wird.

Entwürfe bereits vor Russlands Invasion

Denkbar wäre auch, dass die Truppe früher startet als in drei Jahren. Dies wird aber für unwahrscheinlich gehalten. Erste Entwürfe für den von Deutschland initiiertem Kompass gab es schon lange vor Russlands Angriff auf die Ukraine. Die Pläne wurden nach Angaben von Diplomaten nun aber überarbeitet.

So wird in der jetzt beschlossenen Version deutlicher gemacht, dass sich die EU auch mit nuklearen Bedrohungen auseinandersetzen muss. Zudem wird festgehalten, dass die Mobilität der europäischen Streitkräfte «dringend» verbessert werden muss. Ein Satz, der die Zusammenarbeit mit Moskau in ausgewählten Themenbereichen ermöglichen sollte, wurde hingegen ersatzlos gestrichen.

«Als wir mit der Arbeit begonnen haben, konnten wir uns nicht vorstellen, dass die Lage im Augenblick der Annahme so schlecht sein würde», sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Man müsse sich nun Gedanken über die europäische Fähigkeit machen, mit Herausforderungen wie einem Krieg umzugehen.

Eine Truppe je nach Bedarf

Zur neuen Truppe sollen je nach Bedarf neben Bodentruppen auch Luft- und Seestreitkräfte gehören. Es gehe darum, unterschiedliche miteinander kombinierbare «Module» zu haben, erklärte Borrell Ende vergangenen Jahres zu dem Projekt. Unterschiedliche Einsatzszenarien könnten beispielsweise das Eingreifen in einen bewaffneten Konflikt, die Evakuierung von Menschen oder das Sichern eines Flughafens sein.

Diskussionen über den Aufbau einer solchen Eingreiftruppe gibt es in der EU bereits seit längerem. Sie wurden durch die militärische Abhängigkeit von den USA beim Evakuierungseinsatz in Afghanistan im Sommer vergangenen Jahres noch einmal befeuert.

Danach legte Deutschland gemeinsam mit anderen EU-Staaten einen Vorschlag zum Aufbau einer Eingreiftruppe vor. Er beabsichtigte, die bereits existierenden EU-Battlegroups zu schlagkräftigen und kurzfristig einsetzbaren Krisenreaktionskräften weiterzuentwickeln. Dazu sollen auch Weltraum- und Cyberfähigkeiten sowie Spezialeinsatzkräfte und strategische Lufttransportkapazitäten bereitgestellt werden.

EU-Kräfte noch nie im Einsatz

Diese Idee wird nun im Strategischen Kompass aufgenommen. Die neue Truppe soll demnach aus substanziell veränderten EU-Battlegroups und anderen Streitkräften der Mitgliedstaaten bestehen. Das bisherige EU-Battlegroup-Konzept sieht vor, dass ständig zwei Einheiten mit im Kern jeweils rund 1500 Soldaten bereitgehalten werden, die alle sechs Monate wechselnd von unterschiedlichen EU-Staaten zur Verfügung gestellt werden. Zuletzt hatte es allerdings immer wieder Probleme gegeben, genügend Truppen zusammenzubekommen. Zum Einsatz kamen die EU-Kräfte noch nie.

Erklärtes Ziel ist auch, militärisches Handeln im EU-Kontext flexibler und unkomplizierter zu machen. So soll zum Beispiel der Gebrauch des bislang noch nie genutzten Artikels 44 des EU-Vertrags erleichtert werden. Über diesen könnten für einen Militäreinsatz Koalitionen von Willigen gebildet werden.

Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics warnte allerdings davor, sich nun auf dem neuen Konzept auszuruhen. Der Kompass gebe der EU einen Instrumentenkasten, um gemeinsam mit der Nato zu einem echten geopolitischen Verteidigungs- und Sicherheitsakteur zu werden. Dies sei aber erst «der Anfang der Reise». Vieles hänge davon ab, wie erfolgreich man die Ukraine gegen Russland unterstütze.