Erstmals Schweineherz-Transplantation für einen Menschen

Das Organ sei einem 57-jährigen Mann mit einer lebensgefährlichen Herzkrankheit eingesetzt worden.
Das Organ sei einem 57-jährigen Mann mit einer lebensgefährlichen Herzkrankheit eingesetzt worden. (Bild: Tom Jemski/University of Maryland School of Medicine/dpa)

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An der Verwendung tierischer Organe im Menschen forschen Experten schon lange. Nun wird bei einem Schwerkranken erstmals ein Schweineherz genutzt. Könnte damit das Ende von Spende-Wartelisten und frühem Tod eingeläutet sein?

Baltimore (dpa) – Erstmals weltweit ist einem Menschen ein Schweineherz als Ersatzorgan eingesetzt worden. Der an einer lebensgefährlichen Herzkrankheit leidende 57-Jährige habe das Organ am Freitag bekommen, teilte das University of Maryland Medical Center in Baltimore am Montag (Ortszeit) mit.

Die Operation dauerte laut US-Medien acht Stunden, das transplantierte Herz habe seitdem seine Arbeit aufgenommen, dem Patienten gehe es gut.

Die letzte Alternative zum Tod

«Diese Organtransplantation zeigt erstmals, dass ein genetisch verändertes Tierherz wie ein menschliches Herz funktionieren kann, ohne dass es der Körper sofort abstößt», teilte die Klinik mit. Der Patient werde in den kommenden Wochen genau beobachtet. Es handle sich um einen Mann, der wohl wegen Verletzung der Vorgaben nicht mehr auf der Warteliste für ein Spenderherz gestanden habe und für den das tierische Organ die letzte Alternative zum Tod gewesen sei, sagte Heiner Niemann Honorarprofessor an der Medizinischen Hochschule Hannover der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sein Überleben über einige Tage zeige, dass das Team zumindest die gefährliche direkte Abstoßungsreaktion in den Griff bekommen habe.

«Ich weiß, es ist ein Schuss ins Dunkel, aber es ist meine letzte Chance», wurde der Patient von der Klinik zitiert. Er freue sich darauf, zu genesen und wieder aus dem Bett aufstehen zu können. «Dies war eine bahnbrechende Operation und bringt uns der Lösung der Knappheit bei Organen einen Schritt näher», sagte der durchführende Arzt Bartley Griffith.

Die Transplantation könnte Hoffnung für zehntausende Menschen bedeuten, die auf Spenderorgane angewiesen sind. Wissenschaftler versuchen seit geraumer Zeit, Organe aus Schweinen für Menschen nutzbar zu machen – neben Herzen etwa auch Nieren. Prinzipiell sei kurzfristig auch für die Leber, aber auch Pankreasinseln, Haut und Cornea ein Ersatz aus Tieren vorstellbar, sagte Eckhard Wolf vom Gene Center der Ludwig-Maximilians-Universität München der dpa. Ein Team um den Veterinärmediziner und den Münchner Herzchirurgen Bruno Reichart hatte vor einigen Jahren gentechnisch veränderte Schweineherzen in Paviane transplantiert. Einige überlebten mehr als ein halbes Jahr, bevor die Studie wie vorgesehen abgebrochen wurde.

Die Organe müssen genetisch angepasst werden

Organe aus Tieren haben Wolf zufolge einen entscheidenden Vorteil: «Es handelt sich um junge, gesunde Spender, die planbar zur Verfügung stünden.» Wie schnell es nun auch bei anderen Organen zu Transplantationen kommen könnte, lässt sich schwer abschätzen. Mit seiner relativ einfachen Pumpfunktion sei das Herz weniger komplex als etwa die Leber mit ihrem Umsatz vieler verschiedener Stoffe, gab Niemann zu bedenken.

Damit ihre Organe für den Menschen verwendet werden können, muss das Erbgut der Spendertiere verändert werden. Ohne genetische Anpassung käme es bei der Übertragung auf den Menschen zu einer sofortigen schweren Abstoßungsreaktion, erklärte Wolf. Im konkreten Fall seien zehn genetische Modifikationen vorgenommen worden. Dabei gehe es unter anderem um bestimmte Zuckerstrukturen auf der Oberfläche von Schweinezellen, gegen die der Mensch von Natur aus Antikörper habe. «Ein weiteres Risiko ist, dass es – wenn menschliches Blut durch Blutgefäße im Schweineherz fließt – zu Gerinnseln kommt.»

Dieses Problem habe in früheren Versuchsreihen etwa mit Pavianen häufig zum Absterben des eingesetzten Organs geführt, erläuterte Niemann. Auch dieses Risiko sei nun durch genetische Modifikationen gezielt reduziert worden.

«Weitere Genkonstrukte sorgen für die Bildung eines entzündungshemmenden Proteins», erklärte Wolf. Zusätzlich sei das Gen für den Wachstumshormonrezeptor ausgeschaltet worden, um ein übermäßiges Wachstum der Schweineherzen nach der Transplantation zu verhindern. «Ob alle diese Modifikationen wirklich erforderlich sind, ist fraglich.» In München vorgenommene Experimente mit Pavianen hätten gezeigt, dass ein Langzeitüberleben auch mit Spenderherzen mit nur drei genetischen Modifikationen möglich sei.

Die lebenslange Dialyse könnte ein Ende haben

Sichergestellt müsse zudem sein, dass die Tiere frei von Mikroben sind, um einen Übertragung von Viren und anderen Krankheitserregern auf den Empfänger auszuschließen. Nebenwirkungsreichere Medikamente als bei einer Transplantation von Mensch zu Mensch werden Wolf zufolge nicht benötigt: Eine Immunsuppression sei zwar notwendig, sie sei aber nicht belastender als nach einer herkömmlichen Transplantation.

In Deutschland sei in den nächsten ein bis drei Jahren mit solchen Eingriffen zu rechnen, sagte Wolf. «Der klinische Versuch in den USA wird sicher auf das gesamte Feld eine positive Wirkung haben und die Entwicklung auch hier beschleunigen.» In absehbarer Zeit könnten die lebenslange Dialyse bei Nierenpatienten, die «furchtbaren Wartelisten» für Spenderorgane und verfrühte Todesfälle wegen nicht rechtzeitig vorhandener Ersatzorgane zur Vergangenheit gehören, hofft Niemann.

Die sogenannte Xenotransplantation wird seit den 1980er Jahren erforscht. Schweine sind als Spender besonders geeignet, weil ihr Stoffwechsel dem der Menschen ähnelt. In den USA hatte in den 1980er Jahren ein Arzt einem todgeweihten Neugeborenen mit funktionsunfähigem Herz ein Pavianherz einzusetzen. Das Mädchen überlebte aber nur wenige Wochen. In klinischen Studien wurden bereits Pankreas-Inselzellen aus Schweinen transplantiert, um Menschen mit Diabetes zu helfen.