Eine neue Generation von Brillenträgern

Eine neue Generation von Brillenträgern
Die Sehstörungen bei Kindern nehmen zu. (Bild: privat)

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Jedes fünfte Kind in der Region leidet an Sehfehlern

Ulm/Biberach – Junge Menschen können immer schlechter sehen. Die Ursachen dafür sind aber nicht nur genetisch bedingt, sondern auch eine Folge des Lebensstils. Ein Grund: der ständige Blick auf Displays und Bildschirme. Ein Drittel der Menschen in den Industrienationen ist heute kurzsichtig, in Asien sogar die Hälfte. Tendenz steigend.

Auch in der Region nehmen die Sehstörungen bei Kindern zu: Laut einer Auswertung der AOK Baden-Württemberg waren im Stadtkreis Ulm und im Alb-Donau-Kreis vor fünf Jahren 2.734 AOK-versicherte Mädchen und Jungen im Alter bis zu zwölf Jahren wegen einer Kurz- oder Weitsichtigkeit in ärztlicher Behandlung. Im Jahr 2019 erhöhte sich die Zahl auf 3.362. Etwa jedes fünfte Kind war demnach in Behandlung.

Die Veranlagung, eine Fehlsichtigkeit zu entwickeln, ist vererbbar. „Ist entweder die Mutter oder der Vater kurzsichtig, hat der Nachwuchs ein dreimal höheres Risiko, selbst kurzsichtig zu werden, als bei nicht betroffenen Eltern“, sagt Dr. Hans-Peter Zipp, Kinder- und Jugendarzt bei der AOK Baden-Württemberg. „Sind beide Elternteile kurzsichtig, ist die Wahrscheinlichkeit sogar sechsmal so hoch.“ Studien zufolge wirken sich neben der genetischen Veranlagung aber auch Umweltfaktoren und die Freizeitgestaltung auf die Entwicklung von Kurzsichtigkeit aus. „Zu viel Naharbeit und zu häufiger Aufenthalt in Innenräumen scheinen das Längenwachstum des Augapfels zu fördern“, so der Arzt.

Etwa ab dem sechsten Lebensjahr entwickelt sich die sogenannte Schulkurzsichtigkeit, auch Schulmyopie genannt. „Schüler schauen häufiger in die Nähe – in Hefte und Bücher, aber auch auf Bildschirme und Displays. Das regt den Augapfel an zu wachsen – Kurzsichtigkeit ist die Folge“, sagt Dr. Zipp. Eine aktuelle Studie aus China kommt zu dem Ergebnis, dass pandemiebedingte Schulschließungen die Kurzsichtigkeit bei Kindern verstärken. So hat sich die Sehkraft der Sechs- bis Achtjährigen im Jahr 2020 im Schnitt um 0,3 Dioptrien verschlechtert, um 1,4- bis dreimal stärker als in den Vorjahren. Die Augen der Neun- bis 13-Jährigen verschlechterten sich im Schnitt um 0,1 Dioptrien. Daher sollten Eltern im derzeitigen Lockdown mit Homeschooling an den heimischen Laptops, Tablets oder Smartphones darauf achten, dass der Nachwuchs nicht zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt. „Ab zwei Stunden täglich führen Bildschirmarbeit und Videospiele zu einer Ermüdung der Augen und zu Augenbeschwerden.“ Es sei daher wichtig, immer wieder Bildschirmpausen einzulegen – am besten im Freien. Augen erholen sich, wenn sie in die Ferne schweifen können. 

Eltern sollten regelmäßig den Sehsinn ihrer Kleinen beobachten. Anzeichen, die darauf hindeuten, dass ein Kind fehlsichtig ist, sind Klagen über Kopfschmerzen, Augenbrennen, vermehrtes Zwinkern oder Blendempfindlichkeit. Auch wenn das Kind „mit der Nase“ liest, liegt der Verdacht nahe, dass eine Fehlsichtigkeit der Grund ist. Die gute Nachricht: Sehschwächen und Fehlsichtigkeit lassen sich in der Regel behandeln und mit Brille oder Kontaktlinsen korrigieren. Wichtig sei, Auffälligkeiten rechtzeitig zu entdecken und vom Augenarzt untersuchen zu lassen. „Je früher, desto besser. Nur so kann das Kind eine gute Sehleistung erreichen und sich störungsfrei entwickeln“, rät Dr. Sabine Schwenk, Geschäftsführerin der AOK Ulm-Biberach. Um einer Kurzsichtigkeit vorzubeugen, empfehlen Augenheilkundler eine Maßnahme, die nichts kostet und einfach anzuwenden ist. „Täglich mindestens zwei Stunden raus an die frische Luft. Das senkt das Risiko, dass eine Kurzsichtigkeit entsteht oder sich stark ausprägt.“