Ein Mann kämpft mit seinen Dahlien ums Überleben

Stefan Seufert inmitten seiner unzähligen Pflanzensorten. Ein Besuch bei ihm lohnt sich auf alle Fälle.
Stefan Seufert inmitten seiner unzähligen Pflanzensorten. Ein Besuch bei ihm lohnt sich auf alle Fälle. (Bild: privat)

Lindau (le) – Die Dahlienschau von Stefan Seufert lockt jedes Jahr viele Besucher an. Über 700 verschiedene Sorten blühen auf einer Fläche von rund 11.000 qm um die Wette. Die Eröffnung ist am 13. August. Trockenheit, gestiegene Kosten und die extreme Hitze machen einem der größten Züchter Europas das Leben schwer.

Herzensangelegenheit und One-Man-Show

Das Herz von Stefan Seufert schlägt für Dahlien und nochmals für Dahlien. Was in einem kleinen Schrebergarten im Jahr 2002 begann, wurde zu einem Großprojekt und gleichzeitig zu seiner Lebensexistenz. Dieses Jahr plagen den immer gutgelaunten ehemaligen Grafiker und Mediendesigner viele Sorgen.

Ohne Dung geht nichts

„Das Jahr ließ sich gut an. Es gab keinen Schnee in Lindau und das Frühjahr schien perfekt. Ich konnte die Beete und den Acker für die Schnittdahlien super vorbereiten und bekam zum Glück wieder als perfekten Dünger ein paar Tonnen alten Pferdemist von einem kleinen Reiterhof.“ Wer jetzt denkt, dass der Dung maschinell großzügig auf dem Gelände verteilt wird, der irrt sich kräftig.

Hier sind Muskeln gefragt

„Das ist wirklich ein Knochenjob und reine Handarbeit vom Schubkarren aus.“

Wie viele Mitarbeiter helfen denn bei der geruchsintensiven Arbeit?
„Das ist eine Ein-Mann-Show, nicht nur beim Düngen, sondern die meiste Zeit im Jahr.

Minijobber lässt das Budget leider nicht zu

Ab und zu gab es früher Unterstützung von Schulpraktikanten, aber das ist komplett rückläufig und die Helfer aus dem Bekanntenkreis werden bei der Buckelei verständlicherweise auch immer weniger.“

Haben Sie es schon mit Minijobbern versucht?
„Das ist leider im Budged nicht drin.“

Dahlien sind wunderschön, aber arbeitsintensiv

Mit ihren ganz besonderen Blütenformen und verschiedenen Blütenfarben sorgen Dahlien für ein unvergleichliches Flair.
Mit ihren ganz besonderen Blütenformen und verschiedenen Blütenfarben sorgen Dahlien für ein unvergleichliches Flair. (Bild: Victor Candiani von Pexels)

 „Mit den Dahlien ist es wie mit den Kartoffeln. Die Knollen müssen im Frühjahr eingegraben und im Herbst wieder ausgegraben werden. Da es dieses Jahr bis in den Mai hinein immer wieder Bodenfrost gab, konnte ich mit dem Eingraben der bis zu 7.000 Pflanzen, davon sind die Hälfte Knollen und die andere Hälfte Sämlinge und Stecklinge, erst ein paar Wochen später anfangen.“

Unkraut und Pflanzen schießen in die Höhe

„Erst Mitte Juni war alles in der Erde und dann wurde es wärmer und wärmer…“ Lassen Sie mich raten, und dann wucherte das Unkraut? „Richtig, und das ist rasant und in rauen Mengen gewachsen, gleichzeitig sind aber auch die Pflanzen in die Höhe geschossen. Die Dahlien, die als Jungpflanzen gesetzt wurden, erreichten schnell eine Höhe von 0,70 cm. Das heißt: Es ist höchste Zeit, die Pflanzen an die Pflöcke anzubinden, sonst fallen sie um.“

Da reichen zwei Hände nirgends hin

Jetzt mal langsam. Unkraut, Pflanzen, Holzpflöcke… Also erst das Unkraut raus und dann die Pflöcke und Pflanzen anbinden, oder wie?
„Ohne flapsig zu wirken – im Grunde mit einer Hand das Unkraut rausreißen und mit der anderen schon wieder die Pflöcke reinhauen.“ (lacht)

80 Prozent der Arbeit wird allein bewerkstelligt

Und das machen Sie wirklich alles allein?
Im Grunde unvorstellbar. „80 Prozent der anfallenden Arbeit liegt wirklich bei mir. Manch ein Bekannter erbarmt sich und hilft am Abend oder auch mal Wochenende. Aber bei den aktuellen Temperaturen gehen die auch lieber zum Baden in ihrer Freizeit. Die letzten drei Wochen zeigte das Thermometer auf dem Feld auf Brusthöhe 32 Grad C, auf dem Boden des Ackers waren es locker 10 Grad mehr.“

Wenig Wetterkapriolen

Wie sah es mit Hagel und Unwetter die ganze Zeit über aus?
„Da hatte ich dieses Jahr bisher wirklich Glück. Aber wer weiß, was noch alles wettertechnisch in unserer verrückten Zeit kommt.“

Fast zu wenig zum Überleben

Bleibt bei der Plackerei durch die Besichtigungen, Verkäufe von Schnittblumen und Knollen wenigstens was liegen?
„Durch die letzten zwei Jahre habe ich wegen der Coronakrise ein komplettes Jahreseinkommen verloren. Meine Dahlienschau ist nicht systemrelevant und die Menschen, die mich die letzten Jahre immer wieder sporadisch mit kleinen Geldspritzen unterstützt haben, sind immer weniger geworden oder haben in andere Projekte gespendet.“

Haben Sie schon mal ans Aufhören gedacht?
„Und was wird dann aus den vielen Pflanzen? Die sind ein hoher Wertgegenstand und es gibt keine Abnehmer, da die Großzüchter fehlen. In meinen Dahlien steckt aber auch mein ganzes Herzblut drin.

Immer mehr Züchter geben auf

„Immer mehr Dahlienzüchter und alteingesessene Betriebe geben auf. Die hohen Lohnkosten und die fehlenden Arbeitskräfte zwingen zum Schließen. Sie werden es nicht glauben, aber ich bin hier in Lindau-Reutin einer der letzten großen Dahlienzüchter in ganz Europa. Einen großen Züchter gibt es noch in Oberösterreich und eine Handvoll kleinere Betriebe in Frankreich und Belgien, ansonsten ist Schluss.“

Muss sich hinter der Insel Mainau nicht verstecken

Dahlien sind in der Blüte wunderschön anzuschauen, aber sehr arbeitsintensiv.
Dahlien sind in der Blüte wunderschön anzuschauen, aber sehr arbeitsintensiv. (Bild: Natalya Choohrova von Pexels)

Im Schaugarten in Lindau-Reutin wachsen über 600 verschiedene Dahliensorten, im Schnittbereich sind es nochmals um die 100 verschiedenen Sorten und dann kommt noch das Versuchsfeld mit ganz neuen Sorten dazu. Wenn man bedenkt, dass auf der Insel Mainau rund 250 verschiedene Sorten wachsen, ist das echt der Hammer.

Auf Wunsch können Knollen reserviert werden

Wer sich bei Stefan Seufert in eine besondere Dahliensorte verliebt, kann diese kaufen. Das geht so: Man sucht sich ein Exemplar aus, bezahlt einen kleineren Betrag und die Dahlie wird mit einem Schild versehen. Wenn es im November an das Ausgraben der Knollen geht, kommt man vorbei und holt seinen „Schatz“ einfach ab.

Im Kampf gegen die Trockenheit

Aktuell arbeitet der 58-Jährige an sieben Tage die Woche fast rund um die Uhr gegen die Zeit und gegen die Trockenheit, damit die Besucher sich zur Eröffnung auf ein blühendes Meer an Farben freuen dürfen. „Da wie überall alles staubtrocken ist, gieße ich nach Sonnenuntergang mit dem Schlauch fast täglich Beet für Beet bis tief in die Nacht hinein.“

Das Unkraut wird sich die nächsten Jahre verändern

Beim Unkraut hat der Mann mit dem grünen Daumen einen Wechsel beobachtet. „Auf dem Vormarsch wegen der langen Trockenperioden in unserer Region sind Pfahlwurzler – also Unkraut mit langen und tiefen Wurzeln. Sie holen sich das Wasser aus großer Tiefe. Es wachsen demzufolge immer mehr Ackerwinden, Giersch, Hirsegras und Portulak. Das Unkraut der nächsten 10 Jahre.“

Auf alle Fälle einen Besuch wert

Der Dahliengarten liegt zwischen Lindau-Reutin und Streitelsfingen am Büchelewiesweg.

Öffnungszeiten:
Bis Ende Oktober, täglich von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang geöffnet.

Eintritt:
8 Euro/Person, Gruppen ab 25 Personen 7 EUR/Person, Kinder bis 12 Jahre sind frei.

Die schönste Dahlienzeit ist von September bis Mitte Oktober, aber zur Eröffnung gibt es natürlich auch schon viel zu sehen. Stefan Seufert gibt vor Ort gerne Tipps und freut sich auf einen Plausch mit den Besuchern.

Mehr unter www.dahlienschau-lindau.de