Ein Kommentar: Die Grenze des Zumutbaren ist überschritten

Völlig ausgelastet: Die Beschäftigten in den Kliniken kommen an ihre Grenzen.
Völlig ausgelastet: Die Beschäftigten in den Kliniken kommen an ihre Grenzen. (Bild: picture alliance / empics | Jane Barlow)

In der aktuellen Lage der Pandemie fällt es schwer, Worte zu finden, die noch nicht gesagt wurden. Die aktuelle Situation bessert sich leider nicht, sie wird im Gegenteil täglich schlimmer. Ausgetragen wird es auf dem Rücken der Beschäftigten im Gesundheitswesen.

Die Praxen mit ihren Mitarbeitenden, die Beschäftigten in den Kliniken pfeifen buchstäblich aus dem letzten Loch, an schweren Krankheiten leidende Menschen sind einem Lotteriespiel ausgesetzt. Bekomme ich noch ein Bett in der Klinik, wird eine planbare oder notwendige OP noch erfolgen? Wie konnte das geschehen? Deutschland ist ein hochentwickeltes Land, das im letzten Jahr noch von der ganzen Welt um sein Krisenmanagement beneidet wurde. Dieser Vorsprung wurde aber durch Leichtsinnigkeit und nicht getroffene Entscheidungen verspielt.

Im Moment ist die Auflistung der Fehler und Versäumnisse wenig hilfreich. Aktuell muss es heißen: Retten, was noch zu retten ist! Doch „die“ Politik scheint die Dringlichkeit von weitreichenden Entscheidungen nicht zu verstehen. Gesundheitsminister Spahn ist gefühlt jeden Tag mit RKI-Chef Wieler bei Pressegesprächen aufgetreten, zugehört hat er ihm aber ganz offensichtlich nie, oder zumindest nicht richtig. Und die neue Regierung?

Wer geglaubt hat, dass sich die „Ampel“ entschlossen und einig an die Krisenbewältigung macht, muss jetzt schon enttäuscht sein. Statt mutige Entscheidungen zu treffen, wird vom Abwarten in den nächsten Tagen gesprochen. Auf was wartet die neue Koalition noch? Hofft sie darauf, dass der exponentielle Anstieg der Erkrankten zurückgeht? Dies wird, so die Prognosen vom RKI (Robert-Koch-Institut) nicht geschehen.

Ärzte in Kliniken und Praxen und auch deren Berufs-Verbände lassen die Alarmglocken schrillen. Labore melden Auslastungen von über 100 Prozent, die Bundeswehr fliegt mittlerweile Intensivpatienten aus überfüllten Stationen in den betroffenen Kliniken zu Standorten, in denen noch Kapazitäten frei sind. An manchen Kliniken müssen Ärzte schon Vorbereitungen auf eine Triage, die schwerstmögliche und belastendste Situation im Berufsleben eines Mediziners, treffen.

Es scheint, als ob der Politik die Empathie für die Erkrankten und dem Praxen- und Klinikpersonal abhandengekommen ist. Mit jeder Stunde wird die Anzahl der Erkrankten höher, die Hospitalisierungsraten und auch Todesfälle kennen nur noch eine Richtung, die nach oben. Höchste Zeit, dass in Berlin endlich die Samthandschuhe ausgezogen werden, um die dramatische Situation überhaupt noch ein Stück weit in den Griff zu bekommen.

Die Impfpflicht muss her, auch wenn dies mancher Partei nicht leichtfällt. Dabei sollten die Verantwortlichen sich auch nicht von den Impfgegnern und den Landesfürsten behindern lassen. Das Durcheinander der unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern und die von Ungeimpften ausgehende Gefahr, hat die Pandemie eher beflügelt, Corona hält sich eben nicht an Landesgrenzen. Dies zeigt sich auch bei der neuen Variante aus Südafrika. Kaum wurde vor ihr gewarnt, schon ist sie heute in Belgien nachgewiesen worden und wird sich von dort aus wohl in Europa ausbreiten.

Die Politiker müssen jetzt Farbe bekennen, von ihrer Entscheidung hängen viele Menschenleben ab. Und es geht auch darum, dass das noch vorhandene Personal im Gesundheitswesen nicht vor Frust und Überlastung den Bettel vollends hinschmeißt.