Ein Kenner der jüngeren Schussenrieder Geschichte

Walter Hermanutz hat sich der jüngeren Geschichte Schussenrieds verschrieben
Walter Hermanutz hat sich der jüngeren Geschichte Schussenrieds verschrieben (Bild: Archiv Walter Hermanutz)

Seit vielen Jahren hat sich Walter Hermanutz der jüngeren Geschichte von Bad Schussenried verschrieben. Akribisch und mit großem Fleiß hat er ein umfangreiches Archiv erstellt. Als Quellen nutzt er nicht nur die zur Verfügung stehenden Archive und Heimatbücher, er sucht auch den persönlichen Kontakt zu Zeitzeugen, um die Schussenrieder Geschichte festzuhalten. Das Wochenblatt sprach mit ihm.

Herr Hermanutz, wie kamen Sie dazu Ortschronist zu werden?

Der offizielle Ortschronist bin ich ja nicht, ich mache dies als Hobby in meiner Freizeit schon über 25 Jahren.

Was war der Auslöser für ihr bewundernswertes Engagement?

Ich habe 1994, als Angehöriger der Werksfeuerwehr des PLK, zur Gerätehauseinweihung die Festschrift bzw. die Geschichte der Anstaltsfeuerwehr geschrieben. Dann wunderte ich mich über die Betonreste und leerstehenden Bunker auf dem Schorrengelände. Im Volksmund sprach man halt über den Reichenbacher Flugplatz, doch ich wollte mehr darüber in Erfahrung bringen.

Die gute alte Tante JU 52 von Junkers war mit dem 7. Kampfgeschwader auf dem Flugplatz am Schorren stationiert
Die gute alte Tante JU 52 von Junkers war mit dem 7. Kampfgeschwader auf dem Flugplatz am Schorren stationiert (Bild: Archiv Walter Hermanutz)

Woher bezogen Sie Ihre Informationen zum Flughafen?

Ich schaffte mir ein kleines Tonband an und suchte ältere einheimische Schussenrieder auf. Von denen erhielt ich weitere Kontaktnamen. In der Folge besuchte ich ehemalige Luftwaffenangehörige im Raum Ulm, Isny, Sigmaringen und Friedrichshafen auf. Dort konnte ich weitere Namen von Personen, die verstreut in Deutschland und Österreich lebten, in Erfahrung bringen und kontaktierte sie. 1995 veröffentlichte ich, als Ergebnis meiner Recherche, das Buch über den Reichenbacher Flugplatz.

Welche Bedeutung hatte der Feldflugplatz Reichenbach?

Der Flugplatz Reichenbach war zu Beginn des Krieges als Einsatzflugplatz betrieben, so flog das Kampfgeschwader 51 und Kampfgeschwader 27 Einsätze mit ihren He 111, ein zweimotoriges Kampf-Flugzeug von Heinkel, Einsätze in Frankreich. Das 7. Kampfgeschwader z.b.V. 1 (zur besonderen Verwendung 1), führte mit ihren Ju 52 Verlade- und Verlegungsübungen durch. Ab 1941 war es Ausbildungsplatz für die Flugzeugführerschule AB 23, AB 116 und Jagdgeschwader 106. Zusätzlich war der Flughafen Arbeitsplatz für die Fallschirmspringschule Freiburg.

Die Heinkel He 72 Kadett war ein deutsches Schul- und Reiseflugzeug der Ernst Heinkel Flugzeugwerke. Es wurde als Trainingsflugzeug bei der Ausbildung der Piloten eingesetzt
Die Heinkel He 72 Kadett war ein deutsches Schul- und Reiseflugzeug der Ernst Heinkel Flugzeugwerke. Es wurde als Trainingsflugzeug bei der Ausbildung der Piloten eingesetzt (Bild: Archiv Walter Hermanutz)

In der Anwesenheit des Jagdgeschwaders 106 wurde zugleich das geheime Projekt für die Natter, der ersten bemannten Rakete durchgeführt. Gegen Ende des Krieges war er wieder Einsatzflugplatz für das Jagdgeschwader 53 (PikAs), die ihre Einsätze mit der ME 109, einem einmotorigen und einsitzigen Jagd-Flugzeug von Messerschmitt flogen. Zeitgleich war auch die Transportgruppe 30 am Flugplatz stationiert.

Haben Sie weitere Informationen zu der des II. Weltkrieges und der Zeit der Besatzung?

Viele Schussenrieder erzählten mir über die Kriegszeit und die Besatzungsmacht. Diese Informationen konnte ich nicht ignorieren und schrieb deshalb alles auf, was Sie mir erzählten. Beispielhaft möchte ich nur an die französische Besatzungszeit, den liegengebliebenen KZ Zug mit 200 KZ-Häftlingen sowie den Wehrmacht – Versorgungszug erinnern. Heute bin ich froh darüber, dass ich dies gemacht habe.

Wie haben Sie ihr umfangreiches Archiv erstellt?

Ab 1997 setzte ich mich hin und las alle Heimatbücher und Veröffentlichungen Bad Schussenried betreffend. Ich schrieb alle Ereignisse mit Datum und Ereignissen, sowie Quellen in eine Datenbank, die mittlerweile 20.000 Sätze umfasst. Ab dem Jahr 2000 besuchte ich das Archiv der Schwäbischen Zeitung, das Staatsarchiv in Sigmaringen, sowie das Stadt Archiv in Waldsee. Die dort befindlichen Informationen zur Stadt nahm ich ebenfalls in mein Archiv auf. Parallel sammelte ich Fotoaufnahmen von Bad Schussenried und scannte sie ein. Sehr hilfreich waren mir hier die Sammlungen von Hugo Hammer und Josef Metzler. Ab dem Jahr 2000 veröffentlichte ich regelmäßig Berichte im städtischen Mitteilungsblatt „Schussenbote“ unter der Rubrik „Schussenried vor 50 Jahren“ oder „Schussenried vor 100 Jahren“. Die gesamten Unterlagen, Recherchen und Fotos habe ich digital auf meinem Rechner abgespeichert.

Welchen Vereinen/Betriebe etc. konnten Sie mit Ihrem Archiv helfen?

1985 schrieb ich die Geschichte des Musikvereins zusammen. Der Schützenverein und die Feuerwehr kamen ebenso auf mich zu, wie die Schussenrieder Brauerei Ott. Seit einigen Monaten ist das Buch „Braukultur in Oberschwaben“ im Handel. Es beleuchtet die Brautradition anhand der Schussenrieder Brauerei Ott. Ganz überwiegend kommen Interessierte auf mich zu, wenn ein Jubiläum ansteht.

Welche nicht mehr existierenden Wirtshäuser/Gasthöfe gab es zum Beispiel früher in Schussenried?

Wenn wir so ab 1970 anfangen, sind es der Rosengarten, Sperlings bunte Bühne (Hubertus Klause), Piräus Taverne und bei Inge), Wilder Mann, Bahnhofsrestauration (Schussenklause), Löwen, Ochsen, Linde, oberes Bräuhaus, Riedstüble (El Greco, Hennen Stall), Sieben Schwoba-Keller, Bistro I, Bistro Insider, Raphaels Bistro, Bahnhofhotel, Café Brauchle, Café Walser, Cafe´Rauser, Tanzcafe Bambi. In Kleinwinnaden das Schussental, in Hopferbach das Kreuz, in Sattenbeuren Grüner Baum und Haltestelle, in Kürnbach Hirsch (Dorfschenke) und Museumsstube.

Haben Sie auch Informationen zur einstmaligen Bewirtung auf der Schwaigfurter Insel?

Das Häuschen, welches später als Inselwirtschaft diente, wurde 1777 gebaut. Bereits 1795 wurde ein Inselschiff zur ständigen Unterhaltung angeschafft. Nach der Säkularisation wurde es zu einer Wirtschaft umgebaut. Saisoneröffnung war immer Pfingsten. Die Pächter hatten Events um die Besucher anzuziehen, so fanden bereits ab 1855 Kegelschiessen, Schrottschiessen, Gansschiessen und Preisschießen statt. Verschiedene Musikkapellen aus näherer und weiterer Umgebung gaben auf der Inselwirtschaft Konzerte.

Lange Zeit war die Inselwirtschaft am Schwaigfurter Weiher ein attraktives Ausflugsziel.
Lange Zeit war die Inselwirtschaft am Schwaigfurter Weiher ein attraktives Ausflugsziel. (Bild: Archiv Walter Hermanutz)

Das Schussenrieder Bier wurde ab 1871 ausgeschenkt und nach dem Kriege waren Tanzveranstaltungen weitaus bekannt. Leider finden wir im Moment nichts über die Einstellung des Wirtschaftsbetriebs. Nur aus alten Aufnahmen können wir ableiten, in welch idyllischer Umgebung früher ein Bierchen getrunken wurde.

Haben Sie schon Überlegungen angestellt, wie Sie über ehemalige Einrichtungen und Gewerbebetriebe berichten möchten?

Wenn Bedarf besteht, gerne jederzeit.

Was waren aus Ihrer Sicht die herausragenden Erkenntnisse und Veröffentlichungen Ihrer Arbeit?

Schussenried hat eine Fülle von Geschichte, die Heimatforscher Dr. Siegfried Krezdorn und Karl Kaufmann, haben die Klosterzeit „beackert“, mein Steckenpferd ist die Zeit danach. Es ist bedauerlich, dass sich die Leute zu wenig um diesen Teil der Stadtgeschichte kümmern. Interessant ist, dass die älteren Bürger dafür mehr Interesse haben. Wenn ich einen Bericht veröffentliche, schaue ich immer, dass eine Fotoaufnahme aus dieser Zeit dabei ist.

Das „Buchauer Zügle“ dampfte noch in den 60er Jahren durch Schussenried. Das Bild entstand 1968 vor dem Törle.
Das „Buchauer Zügle“ dampfte noch in den 60er Jahren durch Schussenried. Das Bild entstand 1968 vor dem Törle. (Bild: Archiv Walter Hermanutz)

Ebenso mache ich das Jahr hindurch Bildvorträge über die Geschichte von Schussenried, die Teilnehmer geben mir meist das Thema vor. Einen hohen Reiz an diesen Veranstaltungen hat am Ende des Vortrages das Wunschkonzert. Hier kommt häufig die Frage auf, „Herr Hermanutz haben Sie auch eine Aufnahme vom?“ Dann glänzen die Augen und es entstehen lebhafte Diskussionen, die Erinnerungen wecken.

Wie können Schussenrieder, oder Menschen mit Schussenrieder Wurzeln, Ihre wertvolle Arbeit unterstützen?

Ich bin überzeugt, in den Schränken von Schussenried lagern Unmengen an Fotoalben von früher und wenn auch nur aus den letzten Jahrzehnten. Eine kurzfriste Überlassung zum Scannen würde mich riesig freuen. Nicht nur das geschrieben Wort ist Geschichte.