Ein Aushängeschild der Ulmer Universitätsmedizin: 20 Jahre Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie

„Dazugehören“ ist im Leitbild der Klinik verankert. Für Prof. Jörg Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, eine echte Herzensangelegenheit.
„Dazugehören“ ist im Leitbild der Klinik verankert. Für Prof. Jörg Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, eine echte Herzensangelegenheit. (Bild: Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie)

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Ulm – Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie (KJPP) des Universitätsklinikums Ulm feiert im Herbst ihr 20-jähriges Bestehen. Unter der Leitung von Professor Dr. Jörg Fegert hat sich die Klinik in dieser Zeit national wie international höchste Reputation und Aufmerksamkeit erarbeitet und verfügt in den Bereichen Traumaforschung, Kinderschutz und E-Learning über Alleinstellungsmerkmale. 

Ruferteilung, Baubeginn, Personalsuche, Konzeption: Innerhalb weniger Monate nahm die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie (KJPP) im Jahr 2001 Gestalt an. Mit Inbetriebnahme der Institutsambulanz, die in Baden-Württemberg als Pioniereinrichtung gilt, begann im November die Patientenversorgung an der KJPP in Ulm. Zwei Stationen und die Tagesklinik vervollständigten das Angebot am Safranberg. Professor Fegert, der die Professur und den Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie an der Universität Ulm ein Jahr zuvor angenommen hatte, begleitete den Aufbau der Klinik von Anfang an. Mit einem überschaubaren Team von etwa 30 Therapeut*innen, Sozialarbeiter*innen, Pädagog*innen und Pflege- und Betreuungsmitarbeiter*innen legte er den Grundstock für die universitäre Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie in der Donaustadt.

Wirkungsvolle Pionierarbeit mit Strahlkraft

In den vergangenen 20 Jahren ist die Klinik unter der Leitung von Professor Fegert stetig gewachsen und hat durch wegweisende Forschungsarbeit und wirkungsvolle Patientenversorgung enorme Strahlkraft entwickelt. In der Auseinandersetzung mit medizinisch wie gesellschaftlich relevanten Themen hat die Klinik regionale, bundesweite und internationale Aufmerksamkeit erlangt und sich zu einem Aushängeschild der Ulmer Universitätsmedizin entwickelt. Wesentlich für diese Entwicklung ist das anhaltende Engagement aller Mitarbeiter*innen und der innovative und hohe fachliche Anspruch bei der Auseinandersetzung mit Themen, die oftmals nicht im öffentlichen Fokus stehen.

„Professor Fegert und sein Team zeichnet dabei ein besonderes Gespür für die Bedarfe unterschiedlicher Anspruchsgruppen im klinischen Umfeld und die dazugehörigen effizienten und umfassenden Lösungsansätze aus“, resümiert Professor Dr. Udo X. Kaisers, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des UKU. „Das zukunftsorientierte Wirken der Klinik geht dabei weit über klinische Belange hinaus und beinhaltet insbesondere auch die Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftlichen Fragen. Die Erkenntnisse universitärer Forschung fließen nicht nur in die Patientenversorgung ein, sondern setzen auch relevante Leitlinien und Hilfestellungen für die politische und soziale Entscheidungsfindung.“

Professor Fegert gilt als Vorreiter in der Aufklärung und Bekämpfung des institutionellen Kindesmissbrauchs und zeigt besonderen Einsatz für durch Vertreibung und Flucht traumatisierte Kinder und Jugendliche. „Bundesweit und auf höchster politischer Ebene wird die Beratung durch Professor Fegert zu Fragestellungen des Kinder- und Jugendschutzes zu Recht geschätzt. Mit seinem unermüdlichen Einsatz hat er die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie in nur 20 Jahren zu einer der führenden Institutionen im Dienst des Kinder- und Jugendschutzes geformt“, so Professor Dr. Thomas Wirth, Dekan der Medizinischen Fakultät sowie Direktor des Instituts für Physiologische Chemie der Universität Ulm.

Die Themen Kinderschutz und Kinderrechte sind für Professor Fegert seit jeher ein besonderes Anliegen und Schwerpunktthema der Klinik. Den Bereich Kinderschutz rückte er bereits bei Amtsantritt in den Fokus von Medizin und Wissenschaft, als wichtige Ergänzung zur bis dahin üblichen Verortung im Bereich der Sozialarbeit. Seit 2013 gibt es an der KJPP das Kompetenzzentrum Kinderschutz in der Medizin Baden-Württemberg, mit dem Ziel Expert*innen aus unterschiedlichen Versorgungsgebieten und Betroffene zu vernetzen und in die Forschung einzubinden. 2016 wurde im Rahmen eines vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projektes die Medizinische Kinderschutzhotline eingerichtet.

Diese Hotline bietet zeitnahe, kompetente und praxisnahe Beratung für medizinisches Fachpersonal bei Kinderschutzfragen und ist deutschlandweit, kostenfrei und rund um die Uhr erreichbar. Mehr als 3.500 Anfragen sind inzwischen eingegangen, jeden Monat nutzen über 100 Fachkräfte die Hotline. Zahlreiche e-Learning-Module ergänzen das Angebot und bilden Fachkräfte flexibel, zeitgemäß und qualifiziert zu Themen aus dem Bereich Kinderschutz aus- und weiter. Durch Netzwerkbildung, Politikberatung und Schulung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren werden die Erkenntnisse aus dem klinischen Alltag und vielfältigen Studien kontinuierlich weiterentwickelt und -verbreitet“, so Professor Dr. Michael Weber, Präsident der Universität Ulm.

„Neben der Versorgung von Betroffenen und Patientinnen und Patienten steht immer auch das wissenschaftliche Fundament und dessen Weiterentwicklung im Fokus. Darauf aufbauend gelang es der Klinik, das Thema Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie sowie die notwendigen medizinischen, psychologischen und gesellschaftlichen Veränderungen anzustoßen und selbst zu gestalten.“

Teilhabe als Leitbild

Traumatische Ereignisse in der Kindheit stellen einen Risikofaktor für die psychische und auch die körperliche Gesundheit während der gesamten Lebensspanne dar. Der Bereich Trauma ist daher ein weiterer Schwerpunkt der Klinik, sowohl in der Patientenversorgung als auch in der Forschung. Die Richtschnur bei der Behandlung und im Austausch mit den Patient*innen ist die Inklusion psychisch belasteter oder traumatisierter Kinder und Jugendlicher.

2017 wurde das Konzept „Dazugehören“ ins Leben gerufen, das mittlerweile weit über Ulm hinaus eine Marke geworden ist. Zentraler Gedanke dabei ist, dass sich Teilhabe und Erkrankung nicht länger ausschließen und jedes Kind die Förderung erhält, die sie oder er benötigt. Kinder und Jugendliche sollen trotz aller Belastungen dazugehören und gute Perspektiven im Leben haben. „Dazugehören“ ist ein Leuchtturmprojekt und ein Beispiel für die zahlreichen innovativen Konzepte, die zur Strahlkraft und zur überregionalen Bedeutung der Klinik in den letzten Jahren beigetragen haben“, so Professor Kaisers.

Blickt der Klinikchef selbst auf die vergangenen 20 Jahre zurück, so freut er sich über den Erfolg der weitsichtigen Forschungsarbeit seiner Klinik. Aber auch über die Projekte, die niederschwellige Angebote und Hilfestellungen bieten – für Betroffene und Fachkräfte gleichermaßen. „Es ist uns als Klinik gelungen, frühzeitig die Bedeutung digitaler Medien für Aus-, Fort- und Weiterbildung und Therapie zu erkennen. Die Weltgesundheitsorganisation hat unsere Kombination aus individueller Beratung für Fachkräfte, also die medizinische Kinderschutzhotline, und entsprechenden E-Learning-Programmen, als Leuchtturmbeispiel für die europäische Region hervorgehoben – das hat mich tatsächlich sehr stolz gemacht“, resümiert Professor Fegert.

Ein Meilenstein ist für ihn auch der Bau der Hans-Lebrecht-Schule im Jahr 2016, ein Sonderpädagogisches Bildungs-​ und Beratungszentrum für Schüler*innen während längerer Krankenhausbehandlungen am UKU. Die Stadt Ulm war hierbei der Bauträger. „Mich hat es enorm gefreut, dass über alle Fraktionen hinweg ein Konsens bestand, die Ulmer Klinik mit einer adäquaten Schule zu versorgen. Dies macht doch deutlich, wie die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Ulm in der Stadt angekommen ist, also wie wir „Dazugehören“.“

Zum 20 Jubiläum veranstaltete die Klinik am 30. September eine Fachtagung zum Thema „Dazugehören Baden-​Württemberg: Kinder und Jugendliche auf dem Weg aus der Pandemie“, an der auch Manfred Lucha, Minister für Soziales, Gesundheit und Integration, mit einem Grußwort teilgenommen hat. Das zentrale Thema der Teilhabe aber auch die Veränderungen durch das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz und schließlich die Herausforderungen durch die Coronapandemie bildeten den Rahmen für die Fachtagung zum Jubiläum der KJPP. In einer Sonderausgabe des üblicherweise quartalsweise erscheinenden Newsletters skizzieren die wichtigsten Meilensteine, Anekdoten, Erinnerungen und Grußworte den Werdegang der KJPP.

(Pressemitteilung: UNIVERSITÄTSKLINIKUM ULM)