Die Landwirte wollen wieder mehr in die Gesellschaft integriert werden

Die Landwirtschaft stellt einen der ältesten Wirtschaftsbereiche der Menschheit dar.
Die Landwirtschaft stellt einen der ältesten Wirtschaftsbereiche der Menschheit dar. (Bild: Pixabay)

Vor kurzer Zeit wurde Karl Endriß (Gammertingen-Bronnen) zum neuen Kreisobmann des Bauernverbandes Biberach-Sigmaringen gewählt. Zusammen mit der neuen Vorstandsriege will er die Zukunft der landwirtschaftlichen Betriebe in beiden Kreisen positiv gestalten und begleiten. Dies stellt in einer schnelllebigen Zeit eine nicht geringe Herausforderung dar. Ein wichtiges Anliegen ist ihm dabei, dass die Landwirtschaft wieder besser in der Gesellschaft verankert wird.

„Lange Zeit sah man die Landwirtschaft als Ernährungssicherer an, so wurden wir auch ausgebildet,“ so Endriß. In den letzten Jahrzehnten wurden, so Endriß, verschiedene Entwicklungsstufen bei der Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten durchlaufen.

„Anfangs galt es eine große Menge an Lebensmittel zu erzeugen. Dann kam die Phase, in der die Erzeugnisse hochwertiger sein mussten. Das haben wir geschafft, einen höheren Standard können wir kaum mehr erreichen. Jetzt aber kommt die Phase, in der die Nachhaltigkeit gefordert ist.“

Endriß schildert, dass dieser Prozess anstrengend und herausfordernd für die Landwirtschaft war und sieht darin ein Kernproblem für das Ansehen der Landwirte.

Karl Endriß wurde zum neuen Kreisobmann des Bauernverbandes Biberach-Sigmaringen gewählt.
Karl Endriß wurde zum neuen Kreisobmann des Bauernverbandes Biberach-Sigmaringen gewählt. (Bild: MK)

„In Prozess der Produktionsoptimierung ging der Dialog zur Gesellschaft ein Stück weit verloren. Vielleicht auch deshalb, weil alle Lebensmittel immer und überall, sogar rund um die Uhr verfügbar waren,“ versucht Endriß die Ursachen für eine gewisse Entfremdung der Landwirte von der Gesellschaft zu erklären.

Dabei kann Endriß berichten, dass die Ausgangslage nach dem II. Weltkrieg bis in die 60er Jahre hinein eine ganz andere war. „Da waren wir Landwirte sehr angesehen. Wir produzierten Lebensmittel, die die Menschen für ihre Ernährung dringend brauchten. Damals arbeiteten in der Erntezeit noch viele Menschen bei den Landwirten mit, um neben dem Lohn auch noch Kartoffeln, Eier, Speck nach Hause nehmen zu können.“

Nach dem II. Weltkrieg bis in die 60er Jahre hinein arbeiteten in der Erntezeit noch viele Menschen bei den Landwirten mit.
Nach dem II. Weltkrieg bis in die 60er Jahre hinein arbeiteten in der Erntezeit noch viele Menschen bei den Landwirten mit. (Bild: Pixabay)

Mittlerweile haben sich die Betriebe kolossal verändert, die Lebensmittelversorgung auch. So ist der Anteil der Fleischversorgung aus regionaler Produktion bei Schweinen auf nur noch 50 Prozent gesunken, Tendenz abnehmend. Ein riesiges Problem stellen dabei die Vorgaben der Politik dar.

„Wir wären froh, wenn wir nur die EU-Richtlinien umsetzen müssten. Leider hebt unsere Regierung diese Vorgaben auf ein deutlich höheres Niveau an. Die Landwirtschaft in den angrenzenden EU-Ländern profitieren, weil es dort ‚nur‘ bei der EU-Vorschrift bleibt. Das mindert unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich.“ so Endriß. Er sieht die Ähnlichkeiten zur Stromversorgung: „Bei uns werden Atomkraftwerke abgeschaltet, in Spitzenzeiten kauft man dann den Strom aus Atomraftwerken der Nachbarländer zu!“

Nachhaltigkeit ist eine Notwendigkeit

Den Vorwurf, dass Landwirte Brunnenvergifter und Umweltzerstörer seien, weist Endriß entschieden zurück: „Wir Landwirte achten darauf, dass die bewirtschaftete Fläche so bearbeitet wird, dass auch die folgende Generation davon leben kann.“ Er wünscht sich aber, dass Landwirte nicht nur mit noch mehr Geboten und Verboten überzogen würden. Dabei, so Endriß, sei der Beruf des Landwirtes ein schöner, interessanter und vielseitiger Beruf.

Das Wachstum der Höfe auf Teufel komme raus, sieht er als Problem. Er verweist auf den damit einhergehenden und zunehmenden Zeitdruck, die zu einer geringeren Sorgfalt führe. „Damit entfernen wir uns weiter von dem Verbraucher, der uns Landwirte mittlerweile viel kritischer sieht als vor 60 Jahren. Damals war ein Kuhfladen auf der Straße kein Problem, heute …!“

Veränderungen in den Betrieben

„Früher gab es Betriebe, in denen Hühner, Schweine, Kühe und manchmal auch Pferde gehalten wurden. Heute haben wir eine Schwerpunkt-Landwirtschaft. Dabei ist eine fundierte Arbeit und eine hohe Produktqualität gefordert“, erklärt Endriß.

Er weist auch auf das Tierwohl hin, das ihm am Herzen liegt: „Das ist eine Notwendigkeit, um weiterhin im Markt bestehen zu können. Skandale schaden uns massiv, aber die Verbraucher können uns auch unterstützen. Es würde uns sehr helfen, wenn die Verbraucher auf Billigfleisch verzichten. Bei einem Lieferkettenausfall von landwirtschaftlichen Produkten aus dem Ausland, bekämen wir wohl ähnliche Probleme, wie die Industrie nach der Havarie des Containerschiffes im Suezkanal,“ resümiert Endriß.

Verzicht auf Billigfleisch für Tierwohl
Verzicht auf Billigfleisch für Tierwohl (Bild: Pixabay)

Die immer größeren Betriebe tragen nach Überzeugung von Endriß zu einer Verödung der Dörfer bei. „Es gibt dort oft keine Handwerker, Landwirte und Gaststätten mehr. Der soziale Kontakt ist damit weitestgehend abgebrochen, das Verständnis für die Sorgen und Nöte der anderen Berufe ging verloren,“ erklärt Endriß ein Problem, das nicht nur die Landwirtschaft betrifft.

Verjüngte Vorstandschaft

Endriß baut für die Zukunft auf eine deutlich verjüngte und motivierte Vorstandschaft. Dankbar blickt er auf die Arbeit seiner ehemaligen Vorstandskollegen um seinen Vorgänger Gerhard Glaser zurück: „Wir haben einen intakten Verband übernommen. Die bisherige Mannschaft ermöglichte uns einen fließenden Übergang, sie haben es uns leicht gemacht.“