Die Biberacher Filmfestspiele haben eine neue Intendantin!

OB Zeidler (l.). Nathalie Arnegger und der Vorsitzende des Filmfest-Vereins Tobias Meinhold (rechts)
OB Zeidler (l.). Nathalie Arnegger und der Vorsitzende des Filmfest-Vereins Tobias Meinhold (rechts) (Bild: Biberacher Filmfestspiele e.V.)

Nathalie Arnegger ist die neue Intendantin der Biberacher Filmfestspiele. Die 49-Jährige wurde am Donnerstag vom Filmfest-Verein den Medien präsentiert.

Biberach (ula) – Die Neubesetzung war nötig geworden, nachdem die bisherige Intendantin Helga Reichert im Januar überraschend das Handtuch geworfen hatte. Grund waren Meinungsverschiedenheiten mit dem Filmfest-Vorstand über ein mögliches Online-Angebot des Biberacher Festivals, das jedes Jahr im November fünf Tage lang aktuelle deutsche Filmproduktionen zeigt.

2020 lief es coronabedingt in reduzierter Form mit einem Drittel des Zuschaueraufkommens. Reichert stand einer Online-Variante des Filmfests sehr reserviert gegenüber, was schließlich zur Trennung führte. Mit sichtlicher Genugtuung präsentierten nun Vorsitzender Tobias Meinhold  und Biberachs OB Zeidler den schnellen Erfolg bei der Nachfolgesuche, nachdem sie sich für Helga Reicherts Abschied harte Kritik anhören mussten.   

Nathalie Arnegger betonte, dass sie keine Berührungsängste mit einem On-Demand-Angebot des Filmprogramms habe, solange es als Ergänzung dient, um neue Zuschauergruppen zu finden, die sonst nicht ins Kino kommen. Dazu zählt sie Alte und Gehandicapte ebenso wie junge Leute, für die das Streamen eine Selbstverständlichkeit ist. Der Charakter des Festivals als Ort der Begegnung von Publikum und Filmemachern werde dadurch nicht angetastet.  

Die neue Intendantin ist in Biberach geboren, in Ravensburg zur Schule gegangen und lebt in Friedrichshafen. Nach dem Studium an der Film-Uni Babelsberg produzierte die Film- und Fernsehwirtschaftlerin Imagefilme für DaimlerChrysler und gründete eine eigene Produktionsfirma. In Biberach war sie 2018 in der Jury für den Festivalpreis Goldener Biber. Jetzt muss sie rasch in die Planungen für das Festival einsteigen, das für 2. bis 7. November angesetzt ist. Dazu sind Festivalbesuche und viele Gespräche mit Filmschaffenden vorgesehen – auch mit jenen, die in einem  offenen Brief gegen den Abschied von Helga Reichert protestiert haben. Ein weiteres Ziel: „Wir wollen junge Leute mit ihren Filmen ins Kino holen“.

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Nathalie Arnegger stellt sich vor:

Nathalie Arnegger (Bild: Biberacher Filmfestspiele e.V.)

die Stadt Biberach kenne ich schon lange, selbst meine eigene Vita hat damit zu tun. Wie? Das verrate ich Ihnen vielleicht später mal…das ist Dramaturgie.

Das vergangene Jahr hat jeden ganz individuell auf verschiedenen Ebenen getroffen und einiges heraufbeschwört. Ich muss Ihnen nicht erzählen, in welcher Situation die Welt gerade steckt. Wir gehen durch Täler. Umso wichtiger ist es, hinsichtlich der Zukunft nicht den Mut und den Schwung zu verlieren, sondern Visionen auch umzusetzen – Gerade jetzt und trotzdem!

Jede Veränderung und jeder Aufbruch in Neuland erfordert Vertrauen in das Unabsehbare. Das gemeinsame Abenteuer beginnt, wo das Vertraute auf Neugier trifft. Wo der Schimmer hinter dem Horizont lockt.

Was nun wichtig ist, sind positive Vibrations und Zuversicht. Film, Musik, Kultur im Allgemeinen ist in der Lage, uns positive Energie in unser Leben zu spülen. Denen, die diese Leistung immer wieder für uns erbringen, die ihre Leidenschaft für das einsetzen, was uns gut tut, was uns Erkenntnisse bringt und was uns alle durch schwierige Zeiten trägt, möchte ich auf den Biberacher Filmfestspielen weiterhin die Ehre erweisen und sie Ihnen, liebe Biberacherinnen und Biberachern, präsentieren. Denn die Filmschaffenden mit ihren Geschichten, den Ideen vom Leben, der Magie, den Sichtweisen und dem ganz eigenen Spirit entführen und tragen uns über die Grenzen unseres Alltags hinaus.

Es ist ein Traum von mir, ein Filmfestival zu gestalten. Ich möchte mit neuen Impulsen die programmatische Vielfalt des Festivals stärken und den Dialog sowohl unter den Filmschaffenden als auch zum Publikum hin fördern. Ich habe einen hohen Anspruch an die künstlerische Qualität von Spiel- und Dokumentarfilmen, auch der Wissenstransfer durch Film und die Förderung des gegenseitigen Verständnisses sind wichtige Kriterien für mich.

Adrian Kutters Werk und seinem künstlerischen Footprint in der Region gebührt aller Respekt. Mit meinem ersten langen Kinodokumentarfilm Zwei halbe Leben sind kein Ganzes hat Adrian Kutter mich 2008 nach Biberach eingeladen. Schon damals war ich gerne hier. 2018 lud er mich in die Spielfilmjury ein und ich erlebte ein inspirierendes Filmfestival. Mit Leidenschaft, Mut und Entschlossenheit möchte ich das Erbe von Adrian Kutter und seiner Frau Helga Reichert nun weitertragen.

Mein Respekt gilt auch dem seit 2003 tätigen Verein der Biberacher Filmfestspiele e.V., in dem sich Menschen ehrenamtlich für das gesellschaftliche Leben ihrer Stadt engagieren und ihre Freizeit zum Wohle aller einsetzen. Allen voran Tobias Meinhold und Reinhard Brockof, sie haben mich freundlich willkommen geheißen. Danken möchte ich auch einer Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern, die das anfangs zarte Pflänzchen namens Filmfestspiele gehegt und gepflegt haben, damit es zu dem werden konnte, was es heute ist.

Beeindruckt bin ich auch vom Sponsorenportfolio dieser Stadt, den Preisstifterinnen und Preisstiftern, die damit ein solches Festival ermöglichen. Das Jahr 2020 war für die gesamte Film- und Festivalbranche ein schwieriges Jahr mit vielen Absagen, Einschränkungen und Verschiebungen. Auch das vor uns liegende Festival wird sicherlich nicht einfacher werden. Dennoch ist es mir ein großes Anliegen, auch in diesem Jahr ein Präsenzfestival auf die Beine zu stellen, auf das Sie sich freuen und gespannt sein können.

Das Kino wurde tot gesagt, als das Fernsehen aufkam, dann wieder, als Video aufkam und erneut für gestorben erklärt, als die Streamingdienste wie Amazon oder Netflix aufkamen. Nichts dergleichen stimmt, und auch die Pandemie wird es nicht schaffen. Denn Filmkultur braucht den gemeinsamen Raum, das gemeinsame Erleben, die Begegnung und den Diskurs. Kino als sozialer Ort kultureller Praxis hat gesellschaftliche Relevanz und wird hoffentlich bald wieder uneingeschränkt möglich sein. Kino ist ein wesentlicher soziokultureller Klebstoff.

Nach meinem Schulabschluss in Ravensburg habe ich 15 Jahre in Berlin gelebt, dort nach meinem Studium gearbeitet und sowohl in Deutschland als auch im Ausland Filme produziert. Von 2013 – 2017 lebte ich in Jordanien, wo ich für das Goethe Institut, die Robert Bosch Stiftung und für den DAAD tätig war. Nun bin ich wieder zurück in meiner Heimat und freue mich auf das, was auf mich wartet. Ich bin gespannt darauf, Sie und Ihre Stadt näher kennenzulernen und mit Ihnen gemeinsam Filme zu genießen, die uns inspirieren. Denn, wenn ich an etwas glaube dann daran, dass Geschichten die Welt verändern.

Kurzbiographie:

  • Abitur in Ravensburg
  • Studium Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ Abschluss als Dipl. Film- und Fernsehwirtschaftlerin
  • Debütfilm „Rain is falling“ Prädikat „besonders wertvoll“; Preise und Auszeichnungen: Max Ophüls Preis, First steps Award, BAFTA award, Menschenrechts-Preis, Friedrich Wilhelm Murnau Preis u.v.m
  • Berlinale – Moderatorin und Moderatorin Max Ophüls Preis
  • Stellv. Abteilungsleitung der Filmdivision bei DaimlerChrysler tv. Media
  • Gründung der IMPALA Filmproduktion in Berlin
  • Produzentin „Zwei halbe Leben sind kein Ganzes“ Kinodokumentarfilm, Prädikat: „wertvoll“
  • Produzentin „Rutenkinder“
  • Leitung Deutscher Kurzfilmpreis und Drehbuchpreis für die Staatsministerin der Bundesregierung für Kultur und Medien
  • Lehrauftrag Deutsch – Jordanische Universität, Amman
  • Leitung German Film Week Goethe Institut, Amman
  • Filmprojekt der Gerda Henkel Stiftung, Amman
  • Nominee der Robert Bosch Stiftung, Berlin/Stuttgart
  • Ehrenamt bei der Ralph-Kirchmaier-Stiftung, Ravensburg
  • UIP- („Best European Film“)-Prize
  • Winner Palmares San Roque, Best Cinematography
  • BAFTA Award for Excellence
  • Winner Remi Bronce Award