Die Ära eines knackigen „Ärschles“ geht zu Ende

Zeigt her eure…: Ein mehr oder weniger hübscher Hintern kann nicht nur in der Fasnet entzücken.
Zeigt her eure…: Ein mehr oder weniger hübscher Hintern kann nicht nur in der Fasnet entzücken. (Bild: Zunft Henkerhaus/Daniela Leberer/Wochenblatt Media)

Baienfurt (le) – Wer zur Fasnetszeit in der Bäckerei Mayer seine frischen Brötchen kauft, entdeckt zwischen Nusshörnle und Brezeln ein gut beleibtes „Ärschle“. Für die Nichtschwaben könnte man auch sagen: „Einen nackten Hintern.“ Der kleine Hingucker ist nämlich ein Anstecker. Wer ihn sich kauft und stolz ans Revers heftet, wird in Baienfurt sofort geoutet. Er hat nämlich die Narrenzunft „Henkerhaus“ unterstützt. Wir sind auf närrische Spurensuche gegangen.

Eine Idee mit Nachahmungspotential

Wenn sich einer mit den Besonderheiten der Baienfurter Ortsfasnet auskennt, dann ist es Artur Kopka, Ehrenzunftmeister und Zunftrat. „Spricht man in Baienfurt vom „Neunerbeck“ weiß jeder gleich, was gemeint ist: Die Bäckerei von Bernhard und Theresia Neuner, direkt an der Achbrücke gelegen. Hierzu gibt es auch einen lustigen Zwölfzeiler, der zur Fasnetszeit durch alle Gassen klingt: „Beim Bräuhaus ums Eck, do wohnt d’r Neunerbeck, der hängt sein Arsch zum Fenster raus, ma‘ moint des sei an Weck`…“ Aber der Reihe nach.

Ein „Ärschle“ zum Reinbeißen

„Gastwirt Weck vom Bräuhäusle und Bäckermeister Neuner waren in der Nachkriegszeit beide Mitglieder eines Kegelclubs und bekamen sich eines Tages am Stammtisch in die Haare. Der Gastwirt entwickelte aus einem gängigen Narrenspruch den Vers vom „Neunerbeck“ und beauftragte Kinder, damit den Bäckermeister zu ärgern. Die riefen mit großer Freude vor der Bäckerei den einstudierten Vers.

So kann Werbung auch gehen

Das Ergebnis war allerdings keine Verärgerung der Bäckersfamilie, sondern große Freude über die „lautstarke“ und vor allem die kostenlose Werbung für ihre Bäckerei. Anstatt Schelte bekamen die Kinder Süßigkeiten und den Auftrag, doch bitte den Spruch in ganz Baienfurt auszurufen.“ Dieser Schuss ging für den Gastwirt komplett nach Hinten los, denn der Umsatz der Wasserwecken (man bedenke die Form…) schnellte beim Neunerbeck in die Höhe.

Von der Narrenzunft zu neuem Leben erweckt

In der Bäckerei Neuner wurde bis in die 70er Jahre produziert. Dann kam das Aus und das Gebäude stand mehrere Jahre leer, bis es von der Narrenzunft – gemeinsam mit der Gemeinde – zu neuem Leben erweckt wurde. Entstanden ist das Zunfthaus „Neunerbeck“ mit Kardel- und Zunftmuseum im 1. Stock.

Bausteine in Form eines „Ärschle“

„So eine Baumaßnahme kostet viel Geld und die Narrenzunft sowie der für diesen Zweck gegründete Förderverein hatten sich verpflichtet, einen namhaften Beitrag zur Finanzierung zu leisten. Neben Aktivitäten wie Versteigerungen, Bewirtungen, Spendenaufrufe usw. wurden die „Neunerbeckärschle“, als sogenannte „Bausteine“ verkauft,“ so Artur Kopka.

Sammler sollte sich sputen

Jeder, der sich also mit einem „Neunerbeckärschle“ am Revers sehen ließ, konnte als Förderer des Neunerbeck-Zunfthauses erkannt werden. Zwischenzeitlich ist die Baumaßnahme abgeschlossen und das Zunfthaus mit Museum sind ein fester Bestandteil des Baienfurter Ortsbildes. Trotzdem sind weiterhin Gelder für Investitionen und Reparaturen notwendig und die „Neunerbeckärschle“ noch im Verkauf – zwischenzeitlich schon in der 4. Auflage.

Eine Ära geht zu Ende

Verändert hat sich immer nur die Farbe der Jacke. „Den Abschluss macht jetzt die graue Jacke – danach wird es die Anstecker in dieser Form nicht mehr geben, da der Hersteller seinen Betrieb in absehbarer Zeit einstellt. Für Sammler heißt das also: „Her mit dem letzten Ärschle.“  

Jedes Kind kennt den Spruch

Was bleiben wird, ist der beliebte Fasnetsspruch des Neunerbecks, das Zunfthaus und die Fasnet in „Fut la boi“! Darauf gibt es – mit oder ohne große Fasnet in Pandemiezeiten ein kräftiges: „Henkerhaus lass d´Narra raus.“

Das beliebte „Neunerbeckärschle“ kostet 10 Euro und ist in der Bäckerei Mayer in Baienfurt erhältlich. Verkauft wird, solange der Vorrat reicht.