Deutschland setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus

Deutschland setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus
Polizeibeamte begleiten am 31.07.2019 einen Afghanen auf dem Flughafen Leipzig-Halle in ein Charterflugzeug. (Bild: Michael Kappeler/dpa)

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Die Forderungen nach einem Stopp der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus Deutschland nach Afghanistan waren zuletzt immer lauter geworden. Jetzt handelt die Bundesregierung.

Berlin (dpa) – Wegen der dramatischen Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan schiebt Deutschland vorerst keine abgelehnten Asylbewerber mehr dorthin ab.

«Der Bundesinnenminister hat aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage entschieden, Abschiebungen nach Afghanistan zunächst auszusetzen», sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Eine in der vergangenen Woche verschobene Abschiebung von sechs Afghanen wird zunächst nicht mehr nachgeholt.

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich seit der Entscheidung über den Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan Mitte April dramatisch verschlechtert. Die militant-islamistischen Taliban haben inzwischen wieder neun Provinzhauptstädte unter ihre Kontrolle gebracht.

Die in Kabul vertretenen EU-Botschafter hatten sich erst am Dienstag für einen Abschiebestopp ausgesprochen. Auch 26 Organisationen, darunter Amnesty International, Pro Asyl, Caritas und die Diakonie plädierten in einer gemeinsamen Erklärung dafür.

Das Auswärtige Amt erstellt derzeit einen neuen Asyllagebericht für Afghanistan, der normalerweise die Hauptgrundlage für die Entscheidung über Abschiebungen ist. Dieser Bericht liegt aber noch nicht vor. Seit 2016 sind mehr als 1000 Migranten nach Afghanistan zurückgebracht worden, überwiegend Straftäter.

Zur aktuellen dpa -Meldung sagte Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek am heutigen Mittwoch (11. August 2021):

„Zur Frage, ob Abschiebungen nach Afghanistan möglich sind, war und ist für uns die Einschätzung des Bundes zur Lage vor Ort maßgeblich. Das haben wir stets so kommuniziert. Mit der nunmehr geänderten Einschätzung der Bundesregierung passen wir auch unsere Praxis an – so wie wir es stets gesagt haben. Sollten sich die maßgeblichen Bewertungen des Bundes wieder ändern, werden wir dies ebenfalls wieder berücksichtigen. Denn für mich gilt: Wenn es rechtlich möglich ist, Straftäter und Gefährder abzuschieben, sollten wir dies im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auch tun.

Vor der geänderten Sicherheitslage und Einschätzung des Bundes wurden in diesem Jahr aus Baden-Württemberg 14 Menschen abgeschoben. Diese 14 Personen waren ausnahmslos Straftäter und Gefährder, also Menschen, die die Sicherheit unseres Landes beeinträchtigt haben. Unabhängig von der geänderten Einschätzung des Bundes zeigt die geringe Zahl der abgeschobenen Menschen nach Afghanistan die besondere Verantwortung, der wir uns bewusst sind“, sagte Staatssekretär Lorek.