Der Offenbarungseid der Politik – Ein Kommentar

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach muss jetzt die von ihm mitverursachte Trümmerlandschaft im Gesundheitswesen „aufräumen“
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach muss jetzt die von ihm mitverursachte Trümmerlandschaft im Gesundheitswesen „aufräumen“ (Bild: picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress)

Bei der deutschen Gesundheitspolitik brennt die Hütte lichterloh. Viele Krankenhäuser stehen vor dem finanziellen Kollaps, die Personalsituation in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen ist besorgniserregend schlecht. Die heutzutage schon zu wenigen Haus- und Facharztpraxen sind ebenfalls überlastet, bei der Arzneimittelversorgung gibt es immer größere Probleme. Das Gesundheitswesen pfeift aus dem letzten Loch und ähnelt mittlerweile, durch die grottenschlechte Gesundheitspolitik, eher einem Entwicklungsland, als der eines erfolgreichen Industrielandes. Dieser Zustand ist streng genommen ein Offenbarungseid der Politik. Wie konnte es so weit kommen? Noch zu Beginn der Corona-Pandemie wurden die Beschäftigten der Kliniken gefeiert und bejubelt. Nach rund drei Jahren Dauerkrise sind sie ausgezehrt, mit ihren Kräften und am Ende und viele von ihnen verlassen ihren einstmals geliebten Arbeitsplatz, um sich selbst zu schützen.  

Begonnen hat die Malaise vor 20 Jahren, als der damalige und heutige Gesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach die Fallpauschalen einführte. Nach sage und schreibe 20 Jahren, stellt er nun überrascht fest, dass dies ein kompletter Irrweg war. Er und die Politiker in Bund, Land und Kommunen haben offensichtlich die Zeichen der Zeit nicht erkannt, oder erkennen wollen. Wer die Ökonomie statt der medizinischen Versorgung an die erste Stelle der Betrachtung setzt, hat das Gesundheitswesen nicht verstanden und wohl auch kein Herz für die Beschäftigten und Patienten. Dass nun ausgerechnet Lauterbach das Problem lösen will, das er den Menschen eingebrockt hat, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Viel zu spät will Lauterbach nun auch verhindern, dass Investoren sich Arztpraxen unter die Nägel reißen. Auch dieses Kind ist schon längst in den Brunnen gefallen.  

Zu den willigen Helfern seiner falschen Weichenstellungen gehörten neben den Sozialministern der Bundesländer auch die Kreistagsabgeordneten. Ohne jede Rücksichtnahme und Weitsicht auf die Bedürfnisse, der von ihnen vertretenen Bürger wurde Klinik um Klinik geschlossen. Sozialminister Manne Lucha erhielt im letzten Jahr dafür den Schmähpreis „Goldene Abrissbirne“. Einsicht? Keine! Die Folgen dieser Schließungsorgien sind nicht mehr zu übersehen. Planbare Operationstermine sind seit Beginn der Pandemie durchgehend eine Mangelware, die Notaufnahmen, der noch verbliebenen Krankenhäuser hoffnungslos überlastet. Kinderkliniken senden seit Wochen wegen der Infektionswelle bei Atemwegserkrankungen Notrufe.

Als wäre es nicht bekannt gewesen, dass Investoren sich in erster Linie am Umsatz orientieren, äußern sich Politiker nun „entsetzt“ über die eingetretenen Umstände bei der Gesundheitsversorgung. Als Beispiel kann hier der reiche Landkreis Biberach gelten. Schon kurz nach dem Verkauf der Kliniken an Sana, beklagte der ehemalige Landrat Dr. Heiko Schmid, dass der Kreis nur noch Beifahrer bei Entscheidungen des Mehrheitseigners Sana sei. Das hätten er und die Kreisräte früher wissen können, wenn sie es nur gewollt hätten. Sana zeigte das eine und andere Mal (zuletzt Laupheim) das wahre Gesicht, der Kreisverwaltung und den Kreistagsmitgliedern blieb nur die selbstgewählte Rolle des machtlosen Zuschauers.    

Seltsam ist, dass die Abgeordneten aus Bund und Land bei diesem Thema komplett abtauchen. Durch ihre Sprachlosigkeit bei diesem so wichtigen Politikfeld, erwecken sie den Eindruck, dass ihnen die Gesundheitsversorgung der Bürger nicht wichtig ist. Sie waren es, die den Investoren die Türen geöffnet und damit den staatlichen Versorgungsauftrag mit Füßen getreten haben. Wen wundert es da noch, dass die Republik (scheinbar) aus den Fugen gerät und eine gute Gesundheitsversorgung Stück für Stück vor die Hunde geht? Die nun in Aussicht gestellten Finanzhilfen für die Kliniken kommen vermutlich zu spät, die Probleme durch fehlende Arzt- und Facharztpraxen lösen sie ohnehin nicht.

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