Das Biosiegel der EU – was Verbraucher erwarten können

Das EU-Bio-Siegel kennzeichnet die Produkte, die mindestens den Anforderungen der EG-Öko-Verordnung genügen.
Das EU-Bio-Siegel kennzeichnet die Produkte, die mindestens den Anforderungen der EG-Öko-Verordnung genügen. (Bild: stockadobe.com, © ferkelreggae)

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Artgerecht, nachhaltig und ohne Einsatz von Pestiziden oder Gentechnik – das sind die Eigenschaften, mit denen Produkte verbunden werden, die ein Biosiegel tragen. Doch was garantiert diese Kennzeichnungen eigentlich wirklich? Und was sagen die anderen Bio-Siegel über die Qualität des Produktes aus?

Eine gesunde Ernährung ist die Grundlage unseres Bau- und Energiestoffwechsels. Aus der Nahrung bezieht unser Organismus die Materialien, aus denen körpereigene Stoffe gewonnen und Zellen aufgebaut werden. Daher ist es wichtig, wertvolle und unbelastete Lebensmittel zu konsumieren. Bio-Siegel sollen uns helfen, diese zu erkennen.

Die Entstehung des Europäischen Bio-Siegels

2010 wurde das EU-Bio-Siegel erschaffen. Hersteller, die ihre Ware damit kennzeichnen wollen, müssen bestimmte Kriterien bezüglich Nachhaltigkeit und ökologischer Landwirtschaftlichkeit erfüllen. Die Europäische Union ging mit der Einführung des Siegels einen wichtigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.

Seitdem hat sich einiges getan. So hat die EU beispielsweise 2019 den European Green Deal vorgestellt, der das ökologische und nachhaltige Bewusstsein auf andere Umweltaspekte wie Energieversorgung, Industrie und Verkehr erweitert.

Das EU-Siegel und seine Kritikpunkte

Wenn Hersteller ihre Lebensmittel mit „Bio“ oder „Öko“ kennzeichnen, müssen sie sich an die EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau halten. Diese Produkte dürfen dann das EU-Bio-Siegel tragen. Diese Rechtsvorschriften leisten jedoch in einigen Punkten nicht unbedingt das, was man als Verbraucher unter nachhaltig oder artgerecht versteht. So sind sie eher als eine Art Mindeststandard für Bio-Produkte in Europa zu betrachten, und dieser Standard hat leider einige Kritikpunkte

  • Laut Verordnung sind gentechnisch veränderte Lebensmittel verboten. Produkte, die aus mehreren Zutaten bestehen, sind jedoch eine Ausnahme. Solange jede Zutat nur maximal zu 0.9 Prozent aus gentechnisch veränderten Lebensmitteln besteht, ist das nicht kennzeichnungspflichtig.
  • Die Düngung mit leicht löslichen Phosphaten ist untersagt, das Behandeln der Böden mit schwer löslichen Mineraldüngern wie Kupfer ist jedoch erlaubt. Die sind zwar nicht giftig, können aber im Boden nicht vollständig abgebaut werden und schädigen so Mikroorganismen und die Bodenqualität.
  • In der Tierhaltung sind nach den Richtlinien zwar Maßnahmen wie das Abkneifen der Zähne und sonstige Grausamkeiten verboten, das Halten von Mastschweinen auf Spaltenboden ist aber zumindest teilweise erlaubt.
  • Zum anderen ist Bio-Obst und-Gemüse häufig in Plastik verpackt oder einzeln mit einem Plastik-Aufkleber gekennzeichnet.

Die vollständige Liste der Kritikpunkte ist noch um einiges länger.

So stellen Hersteller gerne ihre Viehzucht dar. Doch in den meisten Fällen sieht die Realität anders aus.
So stellen Hersteller gerne ihre Viehzucht dar. Doch in den meisten Fällen sieht die Realität anders aus. (Bild: stockadobe.com, © Julia Sokolovska

Nicht geschützte Begriffe

Durch die Einführung des Biosiegels ist ein völlig neuer Markt entstanden, denn biologisch erzeugte Ware hat einen biologischen wie auch wirtschaftlichen Mehrwert. Daher haben Hersteller nach Wegen gesucht, ihre Waren ebenfalls auf diesem Markt platzieren zu können, selbst wenn die den Anforderungen des Bio-Siegels nicht entsprechen.

Um das zu erreichen, werden Begriffe genutzt, die Verbrauchern suggerieren sollen, dass es sich um biologisch wertvolle Produkte handelt. Doch Wörter wie „umweltgerecht“, „naturnah“, „natürlich“, „unbehandelt“, umweltschonend“ oder „Freilandhaltung“ sind weder geschützt noch haben sie irgendeine rechtliche Bindung – und damit keinerlei Bezug zu ökologischen Richtlinien.

Was ist der Unterschied zu anderen Bio-Siegeln?

Neben dem EU-Siegel gibt es Kennzeichnungen von Anbauverbänden wie Demeter, Naturland und Bioland. Produkte, die mit diesen Logos gekennzeichnet sind, erfüllen nicht nur die EU-Vorschriften, sondern unterliegen auch zusätzlichen und damit strengeren Anforderungen. Zu den bekanntesten zählen die von Demeter, Bioland und Naturland.

Die Anforderungen für Produkte, die das Demeter-Siegel tragen, basieren auf fünf Grundsätzen, die sich an den Lehren des Anthroposophen Rudolf Steiner, dem Entwickler der Waldorfpädagogik, orientieren:

  • Nachhaltigkeit
  • Freiheit
  • Solidarität
  • Gleichheit
  • Ganzheitlichkeit

Das bedeutet zum Beispiel, dass die Verwendung der meisten Pestizide verboten oder stark begrenzt ist. Die Gabe von Antibiotika ist nur in medizinischen Notfällen erlaubt. Monokulturen sollen so weit wie möglich vermieden werden, Gentechnik ist tabu. 

Der Grundsatz von Bioland ist ebenfalls strenger als die Auflagen der EU-Verordnung. Der Anbauverband orientiert sich an sieben Prinzipien:

  • Herstellung wertvoller und unbelasteter Lebensmittel
  • Förderung der Bodenfruchtbarkeit
  • artgerechte Tierhaltung
  • Förderung biologischer Diversität
  • Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlage
  • Pflegen der Kreislaufwirtschaft
  • Sicherung einer lebenswerten Zukunft für die Menschen
  • Förderung der Kreislaufwirtschaft

Tier-Futter muss beispielsweise zu 100 Prozent aus biologischen Zutaten bestehen – 50 Prozent davon müssen sogar aus dem eigenen Betrieb kommen. Rinder haben Weidegang und Legehennen regelmäßigen Auslauf. Den Tieren steht auch allgemein mehr Fläche zur Verfügung und sie dürfen maximal vier Stunden beziehungsweise 400 Kilometer weit transportiert werden. Die Menge der verwendeten Düngemittel ist ebenfalls beschränkt.

Ähnlich verhält es sich mit den Naturland-Richtlinien. Dieses Siegel steht ebenfalls nicht nur für Nachhaltigkeit und artgerechte Tierhaltung, sondern auch für humanitäre und soziale Aspekte. Es ist dem Bioland-Siegel sehr ähnlich. Ein Unterschied ist die Ausweitung der maximalen Dauer von Tiertransporten auf acht Stunden. Das liegt daran, dass das Naturland-Siegel auch für Betriebe außerhalb Deutschlands zugelassen ist.  

Die vielen verschiedenen Siegel können Kunden schnell überfordern.
Die vielen verschiedenen Siegel können Kunden schnell überfordern. (Bild: stockadobe.com, © Gina Sanders)

Hinzu kommen noch weitere Siegel wie zum Beispiel „Neuland“, „BioBio“, „Ökotest“ oder „Ohne Gentechnik“. Das macht die Auswahl für Verbraucher nicht einfach. Sie müssen sich nicht nur genau informieren, welches Siegel die für sie richtigen Voraussetzungen erfüllt, sondern auch im Supermarkt viele Produkte miteinander vergleichen.

Eine bessere Idee kann es daher sein, Obst, Gemüse und Fleisch über regionale Bauernhöfe zu beziehen. Denn Produkte aus der regionalen Landwirtschaft können auch ohne Bio-Siegel hochwertig sein. Ein großer Vorteil gegenüber dem Supermarkt ist der, dass man als Verbraucher hier die Möglichkeit hat, sich direkt beim Erzeuger über die Herkunft, Aufzucht und damit der Qualität der Produkte informieren kann.