Bundesregierung: Ampel-Parteien stellen Koalitionsvertrag vor

Christian Lindner, Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Robert Habeck stellen den gemeinsamen Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vor.
Christian Lindner, Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Robert Habeck stellen den gemeinsamen Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vor. (Bild: Kay Nietfeld/dpa)

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Zwei Monate nach der Bundestagswahl steht der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien. Das haben SPD, Grüne und FDP vor.

Berlin (dpa) – SPD, Grüne und FDP wollen nach den Worten des wohl künftigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) eine «Koalition auf Augenhöhe» bilden. «Uns eint der Wille, das Land besser zu machen», sagte Scholz in Berlin bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags der drei Parteien.

«Wir wollen mehr Fortschritt wagen», betonte Scholz und versicherte, das Ziel der Ampel-Parteien sei nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern eine «Politik der großen Wirkung».

Der voraussichtliche künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Einrichtung eines ständigen Bund-Länder-Krisenstabs im Kanzleramt zum Kampf gegen die dramatische Entwicklung in der Corona-Krise angekündigt. Die neue Bundesregierung werde die Einrichtung eines solchen Krisenstabes veranlassen, sagte Scholz.

Pflegekräfte sollen wegen der besonderen Belastungen in der Corona-Krise einen erneuten Bonus bekommen. Die künftigen Ampel-Koalitionspartner hätten sich verständigt, dafür eine Milliarde Euro bereit zu stellen.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich für eine Corona-Impfpflicht in bestimmten Einrichtungen mit Risikogruppen ausgesprochen. «Impfen ist der Ausweg aus dieser Pandemie», sagte er. «In Einrichtungen, in denen besonders vulnerable Gruppen betreut werden, sollten wir die Impfung verpflichtend machen. Eine Ausweitung dieser Regelung bleibt zu prüfen.»

SPD, Grüne und FDP wollen Stromkunden entlasten. Zum 1. Januar 2023 soll die Finanzierung der milliardenschweren EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über den Strompreis abgeschafft werden, wie es in dem Koalitionsvertrag heißt.

Angestrebt wird ein auf das Jahr 2030 vorgezogener Kohleausstieg. «Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030», heißt es in dem Koalitionsvertrag der drei Parteien. Demnach soll ein vorgezogener Kohleausstieg über einen massiven Ausbau Erneuerbarer Energien und über den Bau moderner Gaskraftwerke gelingen. Bislang ist gesetzlich vereinbart, dass Deutschland bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aussteigt.

Grünen-Chef Robert Habeck sieht die künftige Bundesregierung klimapolitisch auf dem richtigen Weg. «Wir sind auf 1,5-Grad-Pfad mit diesem Koalitionsvertrag», sagte Habeck. Gemeint ist das im Pariser Klimaabkommen verankerte Ziel, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Die im Koalitionsvertrag vorgesehen Maßnahmen würden dafür sorgen, dass die Ziele der bisherigen Bundesregierung zur Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 übertroffen würden, sagte Habeck.

Der Koalitionsvertrag ebnet nach Worten der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock den Weg Deutschlands in die Klimaneutralität. Die Ampel-Parteien wollten nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen, sondern in den entscheidenden Bereichen einen Paradigmenwechsel einleiten, sagte Baerbock.

Die Ampel-Parteien haben sich auf ein neues Bundesministerium für Bauen verständigt. Vorgesehen ist zudem eine Erweiterung des Wirtschaftsministeriums um das Thema Klimaschutz.

Der gesetzliche Mindestlohn soll auf 12 Euro pro Stunde erhöhen. Nach der einmaligen Anpassung werde die unabhängige Mindestlohnkommission über die etwaigen weiteren Erhöhungsschritte befinden, heißt es.

Die angestrebte künftige Ampel-Regierung will die Mietpreisbremse verlängern und verschärfen. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu 11 Prozent steigen dürfen statt wie bisher bis zu 15 Prozent.

Die voraussichtliche Ampel-Koalition will eine «kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften» einführen. Dadurch würden «die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet».

In einer gemeinsamen Bundesregierung wollen SPD, Grüne und FDP eine Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr ermöglichen. Diese könnten zum Schutz der Soldaten im Auslandseinsatz beitragen.

Das Mindestalter zum Erwerb eines Pkw-Führerscheins soll gesenkt werden und begleitetes Fahren bereits ab 16 statt wie bisher mit 17 Jahren ermöglichen. Damit sollten Jugendliche schon frühzeitig für die Gefahren im Straßenverkehr geschult werden.

Bisher ist das begleitete Fahren ab 17 Jahren möglich. Bis zum 18. Geburtstag besteht die Auflage, den Pkw nur in Begleitung einer mindestens 30-jährigen Begleitperson zu fahren.

Die Förderung für Elektroautos und Plug-In-Hybride soll erst reformiert und dann bis Ende 2025 auslaufen. Die geltende Innovationsprämie zum Kauf eines E-Autos werde noch bis Ende 2022 fortgeführt.

Wer im Homeoffice arbeitet, soll auch im kommenden Jahr noch eine besondere Pauschale bei der Steuererklärung geltend machen können. SPD, Grüne und FDP wollen die derzeit geltende Homeoffice-Pauschale für Arbeitnehmer bis Ende 2022 verlängern.

Derzeit kann man pro Tag im Homeoffice 5 Euro ansetzen, maximal aber 600 Euro im Jahr. Allerdings zählt die Summe zu den Werbungskosten, für die allen Steuerzahlern pauschal ohnehin 1000 Euro angerechnet werden. Nur wer mit seinen Ausgaben hier über 1000 Euro kommt, profitiert also von der Sonderregel. Bisher war sie auf die Jahre 2020 und 2021 befristet und mit der Corona-Pandemie begründet.

Die neue Regierungskoalition will möglichst wenig Überwachung und Speicherung von Kommunikationsdaten. Um Mobbing und Extremismus in den Sicherheitsbehörden entgegenzuwirken, soll eine neue Beschwerdestelle geschaffen werden: der unabhängige Polizeibeauftragte des Bundestages. Für die Bundeswehr gibt es so eine Stelle bereits.

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP als ein Dokument des Mutes und der Zuversicht bezeichnet. Während der Verhandlungen zur Bildung einer Ampel-Koalition hätten sich einige Krisen dramatisch zugespitzt, sagte Habeck mit Blick auf die Flüchtlingssituation in Osteuropa und die Corona-Krise.

Während SPD, Grüne und FDP um Worte gerungen hätten, sei die Sorge in Deutschland umgegangen. Man werde alles Notwendige tun, um die vierte Welle beherrschbar zu halten. In einer Zeit großer Sorge und Verunsicherung brauche es ein Dokument des Mutes und der Zuversicht – «ein solches legen wir Ihnen hiermit heute vor». Leitbild sei eine handelnde Gesellschaft, ein investierender Staat und ein Deutschland, das einfach funktioniere.

Die angestrebte Ampel-Koalition steht aus Sicht von FDP-Chef Christian Lindner für einen Kurswechsel. Die drei Parteien SPD, Grüne und FDP hätten ihre Unterschiedlichkeiten in Wahlkämpfen nicht verborgen, sagte er. «Aber wir haben uns in einem Punkt eine Gemeinsamkeit erhalten, nämlich den Status quo zu überwinden.»

Dafür habe die junge Generation sie auch gewählt. Im Land sei zu spüren, dass es den Wunsch nach Veränderung gebe. Zu den großen Aufgaben, vor denen die neue Regierung stehe, zählten die Alterung der Gesellschaft und das Reduzieren von Kohlenstoff.