Bundeskanzler Scholz sah schon im Dezember Energiekrise voraus

Bundeskanzler Scholz sah schon im Dezember Energiekrise voraus
v.l. Martin Gerster (SPD), Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen), Josef Rief (CDU). (Bild: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka // picture alliance / Eibner-Pressefoto | EIBNER/DROFITSCH // picture alliance/dpa | Jörg Carstensen)

Vor wenigen Tagen verblüffte Kanzler Olaf Scholz (SPD) beim Maschinenbau-Gipfel mit bemerkenswerten Aussagen zur Energiekrise.

Er führte aus, dass der russische Präsident Wladimir Putin nicht nur Getreidelieferungen als Waffe einsetze. Dasselbe gelte auch für Energielieferungen, die ebenfalls als Waffe eingesetzt würden. Er fuhr fort: „Ich war mir immer sicher, dass er das tun würde. Ich habe mir schon im Dezember die Frage gestellt und an alle Mitarbeiter weitergegeben, was wohl passiert, wenn Putin kein Gas mehr liefert.“

Diese Aussagen sind erstaunlich, denn noch im Dezember lehnte es Scholz ab, die Betriebserlaubnis für die Gas-Leitung Nordstream 2 zu kassieren.

Wir fragten bei den Bundestagsabgeordneten der Region nach, was von diesen Aussagen zu halten sei. Wir stellten dabei die Frage, warum die Regierung bei diesem Wissen dann nicht schon früher entschlossen gehandelt hat, um eine Energiekrise zu verhindern.

Kritik aus den Reihen der CDU

Der CDU-Abgeordnete Josef Rief äußerte unverhohlene Kritik an den Ausführungen des Kanzlers: „Die Aussagen von Scholz machen mich fassungslos. Wenn Olaf Scholz sich sicher war, wie Putin handeln würde, dann ist die zögerliche Haltung des Kanzlers und seiner Bundesregierung noch unverständlicher. Und dies wirft ein noch schlechteres Bild auf die Handlungsfähigkeit der Regierung. Um es klar zu sagen, die Regierung ist weit hinter den notwendigen und möglichen Maßnahmen zurückgeblieben. Auch ich habe seit Weihnachten damit gerechnet, dass Putin einen Krieg nicht nur militärisch führen würde, sondern Energie und Getreide als Waffe einsetzen, Falschinformationen streuen und auch sensible Infrastruktur angreifen würde, sei es durch Cyberangriffe oder Anschläge. Daher haben wir von der CDU die Regierung viele Male und eindringlich zum Handeln aufgefordert. Die Lage hätte sich erheblich bessern können durch mehr und schnellere Waffenlieferungen, mehr Getreideanbau auch in Deutschland, die Bekämpfung der Cyberkriminalität und einen Weiterbetrieb aller möglichen Kraftwerke zumindest für die Dauer des Krieges. Stattdessen sehen wir uns einem zaghaften Bundeskanzler gegenüber, der Putin in seinem Denken, der Westen sei schwach und dekadent, noch bestätigt. Die Auswirkungen bezahlt jeder Einzelne von uns mit einer gewaltigen Erhöhung der Energiepreise.“

„Energie- und klimapolitisch unsinnig“

Weil die „Grünen“ im Bundestag sich schon immer gegen die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen wehrten, kann sich MdB Dr. Anja Reinalter (Bündnis90/die Grünen) leicht positionieren: „Nord Stream 2 war nicht nur energie- und klimapolitisch unsinnig, sondern von Anfang an ein politisches Druckmittel für Putin. Mit der Pipeline hat sich Deutschland nicht nur von Gas, sondern auch von autokratischen Staaten abhängig gemacht. Genau davor haben wir Grüne seit den ersten Projektplänen gewarnt. Im Bundestagswahlkampf war Annalena Baerbock die einzige Kanzlerkandidatin, die sich gegen eine Inbetriebnahme der Pipeline ausgesprochen hat. Mich freut es, dass sich heute alle in der Ampelkoalition einig sind, dass Nord Stream als rein privatwirtschaftliches Vorhaben eine naive Vorstellung war. Um jetzt die Energieversorgung in Deutschland sicherzustellen und die steigenden Energiekosten abzufedern, spannen wir mit 200 Milliarden Euro einen riesigen Abwehrschirm. Damit werden die Bürger*innen mit der Gaspreisbremse bei der Heizrechnung spürbar entlastet und systemrelevante Gasimporteure erhalten. Die Abhängigkeit von fossiler Energie hat uns in dieser Krise verwundbar gemacht. Deswegen werden wir uns im Eiltempo von fossiler Energie unabhängig machen und die viel günstigeren Erneuerbaren Energien ausbauen.“

Unterstützung der Parteigenossen, auch aus der Region

Martin Gerster (SPD) springt in seiner Stellungnahme seinem Kanzler zur Seite: „Ich erlebe Olaf Scholz seit vielen Jahren als jemand, der immer wieder unseren gigantisch hohen Energie- und Strombedarf und die damit verbundene Verwundbarkeit unserer Gesellschaft thematisiert. Olaf Scholz macht sich seit langem für einen massiven, schnellen Ausbau Erneuerbarer Energien stark. In der letzten Koalition ist er dabei auf Widerstand von CDU/CSU gestoßen. Windkraft und der Bau von Stromtrassen beispielsweise wurden von der Union eher bekämpft als unterstützt. Mit der Ampelkoalition hat diese Blockiererei endlich ein Ende. Die Bundesregierung hat seit dem Regierungswechsel im Dezember die Abhängigkeit von Öl, Kohle und Gas aus Russland deutlich reduziert und diesen Prozess seit dem Kriegsbeginn forciert. Um Deutschlands Unabhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland zu stärken, hat Olaf Scholz als Bürgermeister von Hamburg mit dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein im Übrigen bereits im Januar 2017 Pläne vorgelegt, an der norddeutschen Küste Terminals für die Anlieferung von Flüssiggas zu bauen. Das belegen Papiere und Medienberichte. Heute wären wir froh, wenn er dafür seinerzeit schon mehr Unterstützung erfahren hätte. Jetzt werden diese Pläne unter Hochdruck umgesetzt. Nach seiner Wahl zum Bundeskanzler hat Olaf Scholz übrigens vom ersten Tag an mit europäischen Partnern und den USA versucht, Putin vom Angriff auf die Ukraine abzuhalten – zu einer Zeit, als viele Warnungen von Olaf Scholz vor einem Krieg in Europa noch als Panikmache abgetan haben.“

Zum Video der Ansprache von Olaf Scholz beim Maschinenbau-Gipfel.