Energiekrise Bund-Länder-Streit über Umsetzung von Entlastungspaket

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert äußert sich bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert äußert sich bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus. (Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa)

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Vor einem Spitzentreffen zu hohen Energiepreisen wird die Stimmung zwischen Bund und Ländern schlechter. Der SPD-Generalsekretär geht den bayerischen Ministerpräsident hart an.

Berlin (dpa) – In der Debatte über die Umsetzung der neuen Entlastungen zur Abfederung hoher Preise knirscht es zwischen Bundesregierung und Ländern. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder «politische Spiele» vor. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) rief Bund und Länder auf, in der Krise an einem Strang zu ziehen.

Aus den Bundesländern kommt Kritik an der Aufteilung der Kosten der von der Ampel vereinbarten Entlastungsmaßnahmen zwischen Bund und Ländern. Einzelne Länder drohen mit Blockaden im Bundesrat.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dringt angesichts absehbarer Belastungen für Wirtschaft und Verbraucher auf eine schnelle Entscheidung über ein Aussetzen der Schuldenbremse. Der bayerische Regierungschef Markus Söder (CSU) fordert eine «finanzpolitisch große Lösung». Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will an der Schuldenbremse festhalten, deren erneutes Aussetzen behält er sich als «Ultima Ratio» vor.

Was passiert mit der Schuldenbremse?

Am 28. September kommen die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beratungen über die Energiekrise zusammen. Die Ampel-Koalition hat ein Entlastungspaket im Umfang von 65 Milliarden Euro beschlossen, an dem sich auch die Länder beteiligen sollen.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Es gibt allerdings einen Spielraum, der für den Bund höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt. Bei Naturkatastrophen oder anderen Notsituationen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden, was 2020 und 2021 wegen der Corona-Pandemie geschehen ist.

SPD-Generalsekretär Kühnert sagte der «Rheinischen Post»: «Während die Menschen in Deutschland dringend darauf angewiesen sind, dass die Entlastungen der Bundesregierung bei ihnen ankommen, spielt Markus Söder politische Spiele.» Er nehme für seine Privatfehde mit der Ampel ein ganzes Entlastungspaket in Geiselhaft. «Das ist politischer Größenwahn auf Kosten von Millionen Menschen in Bayern und dem ganzen Land. Deutschland hat jetzt keine Zeit für die Launen eines CSU-Mannes, der beim Oktoberfest zu tief ins Glas geschaut hat.»

Kühnert sagte weiter, selbstverständlich gebe es in der Umsetzung der Entlastungen zwischen Bund und Ländern finanzielle und technische Fragen zu besprechen. Deshalb habe Kanzler Scholz zu dem Treffen mit den Ministerpräsidenten eingeladen.

CSU-Generalsekretär Martin Huber konterte scharf: «Kreml-Kevin hat wohl zu tief ins Wodka-Glas geschaut», sagte er am Montag. «Die SPD hat mit dem Kanzler alle Möglichkeiten, den Murks-Kurs zu beenden.» Stattdessen kündige die Ampel-Koalition großspurig Entlastungen an, die von den Ländern bezahlt werden sollten. «Das ist sozialistischer Zentralismus», sagte Huber. Dass sich Bayern gegen diese Unverfrorenheit wehre, sei notwendig im Sinne aller Länder. «Es darf nicht heißen: Der Bund bestellt und die Länder zahlen», sagte der CSU-Politiker. «Deutschlands größtes Problem ist die unfähige Bundesregierung.»

Söder: «Bund sollte sich ehrlich machen»

Söder hatte der «Augsburger Allgemeinen» gesagt: «Der Bund sollte sich ehrlich machen: Während den Ländern durch die Schuldenbremse die Hände gebunden sind, hantiert der Bundesfinanzminister in Schattenhaushalten mit gigantischen Milliardensummen.» Er betonte: «Wir befinden uns in einer ökonomischen Krise, die größer ist als bei Corona, deshalb braucht es jetzt auch finanzpolitisch eine große Lösung – und nicht nur kleines Besteck.» Weil hatte in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur von einer Notlage gesprochen.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai konterte die Kritik der Länder und nahm sie in die Pflicht. Der «Rheinischen Post» (Montag) sagte er: «Es kann nicht sein, dass die Länder immer nur Forderungen stellen, sich dann aber wegducken, wenn es um die Umsetzung geht.»

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, mahnte eine frühzeitige Abstimmung zwischen Bund und Ländern an. «Erfolgreiche Krisenbewältigung schafft man nur gemeinsam», sagte Landsberg der «Rheinischen Post» (Montag). «Dies gilt insbesondere dann, wenn der Bund auf die Zustimmung der Länder und die Umsetzung durch die Kommunen angewiesen ist.»