Bühnenbildner Rolf Zehetbauer mit 92 Jahren gestorben

Rolf Zehetbauer, deutscher Filmarchitekt, ist mit im Alter von 92 Jahren gestorben.
Rolf Zehetbauer, deutscher Filmarchitekt, ist mit im Alter von 92 Jahren gestorben. (Bild: picture-alliance / dpa | Johannes Ring)

„Cabaret“, „Das Boot“ und „Raumpatrouille Orion“ haben ihn weltberühmt gemacht

Die Liste seiner Werke als Bühnenbildner ist lang, seine Erfolge sind riesig. Unvergessen bleiben seine Arbeiten für „Das Boot“, „Die unendliche Geschichte“, „Schlafes Bruder“, die „Comedian Harmonists“ und natürlich die Kultserie „Raumpatrouille“. Sein größter Erfolg war die Verleihung des Oscars 1972 für den Film „Cabaret“. Zehetbauer wurde für sein Werk mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Bundesfilmpreis in Gold und dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

Rolf Zehetbauer wurde am 13. Februar 1929 in München geboren und studierte dort an der Kunsthochschule. Er absolvierte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Bau-Praktikum und stieß 1947 als Ausstattungsassistent zur Münchner Bavaria Film. 1949 wurde er Mitarbeiter des dortigen Chefarchitekten Ernst H. Albrecht. Bereits 1951 begann er mit den Arbeiten als eigenverantwortlicher Szenenbildner und stieg bis 1963 zum Chefbühnenbildner des Studios auf.

Seit 1950 war er als Architekt zuerst für Kino-, dann auch für Fernsehfilme tätig und wurde zu einem der bestbeschäftigten und bekanntesten deutschen Szenenbildner. Nach „Canaris“ (1954) und „Nachts, wenn der Teufel kam“ (1957), für den er beim Bundesfilmpreis mit einem Filmband in Gold ausgezeichnet wurde,

Bahnrechend für das moderne Fernsehen – futuristisches Ambiente

1966 konnte er bei der Ausstattung der Serie „Raumpatrouille“ seinen genialen Erfindungsreichtum unter Beweis stellen, indem er durch die geschickte Inszenierung von einfachen Gebrauchsgegenständen ein futuristisches Ambiente zauberte. Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion (häufig auch als Raumschiff Orion, in neueren Videoausgaben auch als Raumpatrouille Orion bezeichnet) ist die erste und bekannteste deutsche Science-Fiction-Fernsehserie. Sie wurde ab dem 17. September 1966 vierzehntäglich samstagabends nach der Tagesschau von der ARD in sieben Teilen ausgestrahlt.

Unterhaltsam und mitunter ironisch wird die Geschichte des Commanders Cliff Allister McLane (Dietmar Schönherr) erzählt, der mit seiner Besatzung im sich entwickelnden Krieg gegen die fremdartigen „Frogs“ den schnellen Raumkreuzer Orion befehligt und sich immer wieder aufmüpfig gegenüber seinen Vorgesetzten zeigt

Legendär ist der (im Original namenlose) Gesellschaftstanz, der am Grund des Meeres im „Starlight Casino“ getanzt wird. Die Charakterisierung McLanes und die detailliert ausgearbeitete Zukunftswelt gelten als bahnbrechend für das moderne Fernsehen.

Zehetbauer schuf spektakuläre Effekte mit banalen Alltagsgegenständen

Die seinerzeit für eine Fernsehverfilmung spektakulären Effekte besitzen auch heutzutage noch einen ganz eigenen, unverwechselbaren Charme. So wurden etwa verfremdete Bügeleisen und Bleistiftanspitzer als Armaturen und Plastikbecher als Deckenleuchten verwendet. Bei den Rangabzeichen an den Uniformen handelte es sich um Fragmente von Lochkarten für EDV-Systeme. Auf den Kopf gestellte Uhrpendel, bei denen eine Metallkugel auf einem zylindrischen Stiel saß, stellten die Fahrhebel dar. Auch Garnrollen und Wasserhähne kamen als Dekoelemente zum Einsatz. Die spektakulären Kunststoffkulissen in der Kommandokanzel der Orion wurden mit dem damals ganz neu erfundenen Thermoformen erstellt. Die Aufnahmen wurden größtenteils in der Bavaria Film in Geiselgasteig gemacht.

Programmatisch für den Inhalt ist auch der berühmte Text, der im Vorspann jeder Folge mit dramatischem Unterton von Claus Biederstaedt gesprochen wurde:

Zehetbauer schuf ein „Märchen von übermorgen“

 „Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen: Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum. Man siedelt auf fernen Sternen. Der Meeresboden ist als Wohnraum erschlossen. Mit heute noch unvorstellbaren Geschwindigkeiten durcheilen Raumschiffe unser Milchstraßensystem. Eins dieser Raumschiffe ist die Orion, winziger Teil eines gigantischen Sicherheitssystems, das die Erde vor Bedrohungen aus dem All schützt. Begleiten wir die Orion und ihre Besatzung bei ihrem Patrouillendienst am Rande der Unendlichkeit.“

Die Raumpatrouille erreichte Kultstatus – die Straßen waren damals leergefegt

Die Schwarz-Weiß-Serie hat seit Jahrzehnten Kultcharakter. Sie erreichte bei der Erstausstrahlung in der ARD Einschaltquoten von bis zu 56 % und wurde deshalb oft als Straßenfeger bezeichnet. In Deutschland wurde die Serie im Deutschen Fernsehen 1968 und 1975 sowie von verschiedenen Regionalsendern der ARD, so vom WDR 1973 und 1987, dem NDR Fernsehen, hr-fernsehen und dem damaligen Südwest 3 sowie vom Privatsender Sat.1 (hier allerdings aus rechtlichen Gründen oft nur fünf Folgen) bis 1999 insgesamt 20 Mal wiederholt.

Weitere großartige Arbeiten Zehetbauers folgten

Später wurde er Production Designer der Bavaria-Filmstudios. Die von ihm entworfene Straße für Ingmar Bergmans „Das Schlangenei“ auf dem Bavaria-Gelände wurde – mit kleineren Veränderungen – jahrzehntelang in zahlreichen Produktionen eingesetzt, beispielsweise bei „Berlin Alexanderplatz“ unter der Regie von Rainer Werner Fassbinder, mit dem er auch bei „Despair“ (1978), „Lili Marleen“ (1980) und „Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel“ (1982) zusammenarbeitete. Mit Wolfgang Petersen arbeitete er zunächst beim aufwändigen, weltweit erfolgreichen und oscarnominierten Kriegsdrama „Das Boot“ (1981) zusammen, dann setzten Zehetbauer und Petersen ihre Kooperation mit dem Fantasyfilm „Die unendliche Geschichte“ (1983) und dem Science-Fiction „Enemy Mine“ (1985) fort. Zu seinen späteren Erfolgen zählten „Schlafes Bruder“ (1995) und „Luther“ (2003).

Zehetbauers Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet

Rolf Zehetbauers Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Schon 1973 erhielt er für „Cabaret“ gemeinsam mit Hans Jürgen Kiebach und Herbert Strabel einen Oscar sowie den britischen BAFTA Award, für die TV-Serie „Inside the Third Reich“ (1982) wurde er mit Herbert Strabel und Kuli Sander für den Emmy nominiert; Bundesfilmpreise erhielt er nach „Nachts, wenn der Teufel kam“ für Fassbinders „Despair“ (1978), „Die unendliche Geschichte“ (1984) sowie Joseph Vilsmaiers „Comedian Harmonists“ (1995). 1984 wurde ihm der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland überreicht.

1990 machte sich Rolf Zehetbauer mit seiner eigenen Firma selbstständig und wirkte auch außerhalb des Spielfilmsektors als Ausstatter.

Gründungsmitglied der Deutschen Filmakademie

Rolf Zehetbauer war 2003 eines der Gründungsmitglieder der Deutschen Filmakademie. Auch außerhalb der Filmbranche machte er sich einen Namen. Die Ausstellungsräume des 1995 eröffneten Deutschen Museums Bonn wurden von ihm gestaltet, ebenso die Mövenpick-Restaurants in Berlin. So gehören ein Kino, die Inneneinrichtung des BMW-Museums in München und das 1995 eröffnete Deutsche Museum Bonn ebenfalls zu seinen Arbeiten. 2004 wurde er mit der Neugestaltung des Hacker-Festzelts auf dem Oktoberfest beauftragt.

Rolf Zehetbauer starb am 23. Januar 2022 im Alter von 92 Jahren.