Axel Huber auf den Spuren von Singener Opfern der Euthanasie

Axel Huber informierte über die Euthanasie des NS-Regimes.
Axel Huber informierte über die Euthanasie des NS-Regimes. (Bild: Stadt Singen)

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Singen – Für die Mitarbeiterinnen des Stadtarchivs war der Vortrag von Axel Huber am 27. April eine Premiere: nicht nur konnte zum ersten Mal seit fast eineinhalb Jahren wieder eine Veranstaltung im Benutzersaal in Präsenz stattfinden, auch wurde der Vortrag gleichzeitig live via Zoom übertragen. „29 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Chance genutzt, von zu Hause aus Axel Huber bei seiner Spurensuche zu begleiten“, freut sich Stadtarchivarin Britta Panzer.

„Durch das hybride Angebot konnten auch Interessierte aus dem gesamten südbadischen Raum angesprochen werden, die ansonsten sicherlich nicht zu unserer Veranstaltung gekommen wären“, so Panzer. Auch in Zukunft soll die Veranstaltungsreihe des Stadtarchivs „Vom Suchen und Finden in Akten“ grundsätzlich hybrid angeboten werden.

Der Referent zeigte im ersten Teil seines Vortrages auf, wie auf Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ aus dem Jahr 1933 zunehmend Propaganda gegen Kranke gemacht wurde. Dies zog sich sogar bis in Unterrichtsmaterialien hinein, wie er an Hand einer Rechenaufgabe aus dem „Mathematischen Unterrichtswerk für Höhere Schulen“ anschaulich erläuterte. Die Verfolgung und Ermordung kranker Menschen gipfelte schließlich in dem sogenannten „Gnadentod-Erlass“ von 1939, der die systematische Tötung als einen Akt der Menschlichkeit rechtfertigen sollte. In einem zweiten Teil zeigte Axel Huber an Hand einzelner Opferschicksale die Schwierigkeiten bei der Suche nach Informationen in den Archiven auf.

Schnell wurde deutlich, dass sich die Recherchearbeit wie ein Puzzle gestaltet, da unterschiedliche Institutionen des NS-Regimes mit der Durchführung der „Euthanasie“ beauftragt waren, so beispielsweise die Kinderfachabteilung Kaufbeuren oder die Heil- und Pflegeanstalt Konstanz. „Über die Opferliste der Gedenkstätte Grafeneck bin ich auf einige Singener Opfer gestoßen, die dann teilweise in der Meldekartei oder den Personenstandsregistern im Stadtarchiv Singen nachweisbar waren. Von dort führten die Spuren teilweise bis zum Generallandesarchiv Karlsruhe, wo Unterlagen der Pflegeanstalt Rastatt verwahrt werden“, erläuterte Huber die Spurensuche. Dort wurden psychisch kranke Menschen nur noch „verwahrt“, wenn sie als austherapiert galten.

Insgesamt geht Huber für Singen momentan von mindestens 156 Opfern der Zwangssterilisation aus sowie 30 Menschen, die im Zuge der Euthanasie getötet wurden. Für die zahlreichen Zweifelsfälle ist er weiterhin auch auf die Mithilfe der Singener Bevölkerung angewiesen, wie er am Beispiel von Julie Kempf und Johann Nepomuk Schatz verdeutlichte. Deren Nachfahren waren an diesem Abend ebenfalls anwesend und sichtlich bewegt von der einfühlsamen Recherchearbeit des Historikers.

(Pressemitteilung: Stadt Singen am Hohentwiel)