Auszeichnung: Christa Tholander erhält Verdienstkreuz am Bande

Auszeichnung: Christa Tholander erhält Verdienstkreuz am Bande
Oberbürgermeister Andreas Brand (rechts) überreichte im Namen des Bundespräsidenten das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Dr. Christa Tholander. (Bild: Stadt Friedrichshafen)

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Friedrichshafen (wb/dab) – In einer Feierstunde im Zeppelin Museum überreichte Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand im Namen des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Dr. Christa Tholander. Vorgeschlagen für die Ehrung wurde Tholander von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

„Sie haben als promovierte Historikerin Ihren Blick auf die Schattenseiten unserer Geschichte gerichtet, vor allem aber auch auf die Schattenseiten der Geschichte hier in Friedrichshafen“, so Oberbürgermeister Andreas Brand. In den Kriegswirren besuchte Christa Tholander sechs verschiedene Volksschulen, machte die Mittlere Reife am Gymnasium in Oberhausen und arbeitete dann fünf Jahre als städtische Bedienstete im Amt für Wiedergutmachung in Oberhausen. 1959 ging sie als Au Pair nach London zu einer jüdischen Familie mit deutschen und polnischen Vorfahren. Parallel absolvierte sie in der Freizeit eine Ausbildung zur Diplom-Dolmetscherin für Englisch.

Nach einer Ausbildung zur Stewardess bei Pan American und ihrer Heirat 1961 kam sie nach Friedrichshafen. Hier war sie als Nachhilfelehrerin und Übersetzerin von technischen Handbüchern tätig. Ende der achtziger Jahre holte Dr. Tholander mit 52 Jahren das Abitur nach, studierte Geschichte und Anglistik in Konstanz und beendete ihr Magisterstudium 1996 mit der Magisterarbeit „Fremdarbeiter: Ausländische Arbeitskräfte in Friedrichshafen von 1939-1945“. Im Jahr 2000 veröffentlichte sie ihre Dissertation mit dem Titel „Fremdarbeiter 1939 bis 1945 – Ausländische Arbeitskräfte in der Zeppelin-Stadt Friedrichshafen“.

„Mit der Veröffentlichung der Dissertation haben Sie eine für die Stadt Friedrichshafen wichtige und überfällige Publikation verfasst, die sich mit der bis dahin vernachlässigten Thematik ausländischer Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs in Friedrichshafen beschäftigt“, so Oberbürgermeister Brand. Im Zuge dieser Forschung, so Brand weiter, hat sich Dr. Tholander nicht nur wissenschaftlich, sondern auch mit großem persönlichem Einsatz engagiert. Sie reiste zu den Zeitzeugen bis nach Polen und Belarus und interviewte dort insgesamt mehrere Dutzend Personen.

Auch das Stadtarchiv Friedrichshafen sei durch die Forschungen in der glücklichen Lage, auf fundierte Erkenntnisse über die nationalsozialistische Zeit in Friedrichshafen zurückgreifen zu können. Auf eine Initiative ehemaliger niederländischer Zwangsarbeiter hin wurde sie 2006 mit dem Oranier-Orden, einem Verdienstorden der Niederlande, für das Bewahren der Zwangsarbeiter-Erinnerungen ausgezeichnet.

Seit 2005 ist sie Mitglied im Verein „Dokumentationsstätte Goldbacher Stollen und KZ Aufkirch in Überlingen e.V.“ und liefert wichtige Beiträge und Anregungen für die Vereinsarbeit. Darüber hinaus setzte sie sich für eine angemessene Gestaltung der beiden Ehrengräber 19 und 32 auf dem städtischen Friedhof ein. In diesen Ehrengräbern ruhen in Friedrichshafen ermordete, umgekommene und umgebettete Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge. Hier hat sie durch Nachforschungen und Erkundungen in höchstem Maße zur Klärung beigetragen.

Einige Zeit engagierte sich Dr. Tholander für ein Projekt der evangelischen Kirche von Hessen und Nassau, bei dem ehemalige Zwangsarbeiter in Belarus kostenlos Medikamente in Apotheken in Minsk, Brest und Witebsk erhielten. 1982 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann den gemeinnützigen Förderverein krebskranker Kinder Tübingen e. V. Fünf Jahre nach der Gründung konnte 1987 ein Elternhaus, wenige Zeit später auch ein Geschwisterhaus eingeweiht werden.

„Sowohl für das Geschichtsgedächtnis unserer Stadt als auch für die Versöhnungsarbeit kann Ihr Engagement nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie haben in erheblichem Maße zur Aufarbeitung der NS-Geschichte in unserer Stadt beigetragen. Darüber hinaus haben Sie sich für die Bewahrung dieser Erkenntnisse eingesetzt, die Schaffung von Erinnerungsorten mit Ihrer Arbeit unterstützt und nicht zuletzt Versöhnungsarbeit durch die Begegnung von Menschen aus einst verfeindeten Nationen geleistet“, so Brand in seiner Laudatio.

„Ich freue mich sehr, dass ich Ihnen im Namen des Bundespräsidenten das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens verleihen darf.“ Dem Dank und den guten Wünschen schlossen sich die Leiterin des Zeppelin Museums, Dr. Claudia Emmert, der Leiter des Stadtarchivs, Jürgen Oellers und der frühere Oberbürgermeister Josef Büchelmeier an. Musikalisch umrahmt wurde die Feier im Zeppelin Museum von Peter Bacsi und Alain Wozniak von der Musikschule Friedrichshafen.

(Quelle: Stadt Friedrichshafen)