Auch Zweitgutachten empfiehlt die Klinik-Zentralisierung in Sigmaringen

Alle Wege zur stationären Behandlung führen in Zukunft wohl zur Zentralklinik des Kreises nach Sigmaringen.
Alle Wege zur stationären Behandlung führen in Zukunft wohl zur Zentralklinik des Kreises nach Sigmaringen. (Bild: picture alliance / Zoonar | DesignIt)

Bei einer Pressekonferenz wurde das mit Spannung erwartete Zweitgutachten zu den SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH vorgestellt. Auch das vorgelegte Zweitgutachten empfiehlt eine Zentralisierung der stationären Versorgung in Sigmaringen. Für die weiteren Klinikstandorte Bad Saulgau und Pfullendorf wurden Empfehlungen für eine Nachnutzung genannt. Demnach soll es dort zu einer Stärkung der „ambulanten und pflegerischen Angebote“ kommen.

Landrätin Stefanie Bürkle, Bürgermeister Thomas Kugler (Pfullendorf) und Dr. Arne Berndt (Beratungsfirma WMC), stellten das Ergebnis, des vom Kreistag und Spitalfonds Pfullendorf beauftragten Zweitgutachtens vor. Überraschungen blieben dabei aus. Das Zweitgutachten bestätigte weitgehend das Zukunftskonzept der Geschäftsführung der SRH-Kliniken, das sich auf das Erstgutachten durch die Beratungsfirma Curacon stützte. Die Kreisverwaltung wird nun dem Kreistag die Zentralisierung der stationären Versorgung in Sigmaringen vorschlagen. Die Psychiatrie soll nach Pfullendorf verlagert werden. Die ambulanten Strukturen sollen in Pfullendorf mit der Einrichtung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) und dem Ausbau des MVZs in Bad Saulgau gestärkt werden. Zudem soll eine „solitäre“ Kurzzeitpflege in Bad Saulgau eingerichtet werden, die Haus- und fachärztliche Versorgung im Kreisgebiet gestärkt werden.

Bürkle sah es zwingend an, die Strukturen offensiv anzupassen, um eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung im Landkreis anbieten zu können. Sie verwies dabei auf die am Standort angesiedelten Zentren, an denen ein gutes Angebot bereits vorhanden sei. Mit der Verlagerung von Chirurgie, Innerer Medizin und Gynäkologie von Pfullendorf und Saulgau nach Sigmaringen, werde dieses Angebot noch verstärkt. Im weiteren Ausblick fügte sie an: „Wir wollen parallel die Haus- und fachärztliche Versorgung und auch die pflegerische Versorgung gemeinsam mit Partnern verbessern.“

Die Vorschläge der Kreisverwaltung für die Kreistagssitzung

Pfullendorf

  • Die Psychiatrische Versorgung soll von Sigmaringen nach Pfullendorf verlagert werden und 90 Betten umfassen.

  • Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) der Kliniken soll die Versorgung stärken.

  • Dafür sollen Arztsitze erworben werden. Dafür ist die Zustimmung der niedergelassenen Ärzte notwendig.

Bad Saulgau

  • Die Notfallpraxis in Bad Saulgau soll weiterhin an Wochenenden und an Feiertagen von 8 bis 22 Uhr weitergeführt werden.

  • Im Krankenhausgebäude sollen in Zukunft 60 bis 70 Kurzzeitpflegestellen, ggf. in Zusammenarbeit mit einer Alterspflegeeinrichtung, geschaffen werden.

  • Das MVZ mit den Bereichen Augenheilkunde, Unfallchirurgie, Behandlung von BG Fällen, Anästhesie und Gynäkologie, soll um weitere Arztsitze erweitert werden. Auch hier müssen die niedergelassenen Ärzte zustimmen.

  • Lt. Prognosen sind für den Landkreis 60 bis 70 Kurzzeitpflegeplätze notwendig. Diese sollen im bestehenden Krankenhaus in Bad Saulgau angesiedelt werden.

Weitere Unterstützung für die bisherigen Klinikstandorte

  • Der Kreis erklärt die Bereitschaft bei der Schaffung eines ambulanten Operationszentrums, einer Praxisklinik oder einer Intensivpflegeeinrichtung unterstützend tätig zu werden.

  • Aufgegriffen werden soll das Thema Primärversorgungszentren. Hier soll die ganzheitliche und wohnortnahe ambulant medizinische Versorgung angeboten werden.

Stärkung der ambulanten Versorgung im gesamten Landkreis

Mit einer Gesundheitskonferenz  sollen Möglichkeiten geprüft werden, die haus- und fachärztliche Versorgung zu stärken. Dabei sollen die Förderprogramme des Bundes und Landes genutzt werden.

Weitere Erkenntnis des Gutachtens

Die Beratungsfirma WMC stellte im Gutachten fest, dass von den 44.600 erfolgten Notaufnahmen, lediglich 9900 stationär aufgenommen wurden. Zwei Drittel davon in Sigmaringen. Schwere Notfälle (Herzinfarkt, Schlaganfall) wurden schon bisher in Sigmaringen behandelt. WMC stellte auch fest, dass der Rettungsdienst in der Lage ist, schnelle Hilfe zu leisten. Leichtere Verletzungen und Frakturen könnten von niedergelassenen Ärzten oder in MVZs behandelt und versorgt werden.

Spitalfonds Pfullendorf gibt Anteile ab

Der Spitalfonds Pfullendorf will seine Anteile von 12,74 Prozent an den SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH veräußern. Im Ergebnis hielte dann die SRH 58,45 Prozent und der Landkreis 42,55 Prozent der Anteile.

Für den Fall der Zustimmung durch den Kreistag, wäre so die dauerhafte Finanzierung am Krankenhaus Sigmaringen mit gesichert. Für das notwendige Darlehen von max. 54,7 Millionen bürgen dann der Landkreis und SRH.

Vorstellung der Zweitmeinung im Bürgerdialog

Am 23. Februar wird das Ergebnis der Zweitmeinung in der Göge-Halle (Hohentengen) vorgestellt. Einlass ist ab 18.15 Uhr, der Beginn ist ab 19 Uhr vorgesehen. Wer die Veranstaltung im Livestream verfolgen möchte, kann sich unter www.kliniken-sigmaringen.de oder www.landkreis-sigmaringen.de zuschalten.

Der Kreistag entscheidet am 14 März über das Konzept, der Spitalfonds am 17. März. Auch die SRH Gesundheits GmbH, fällt ihre Entscheidung im März.

Erste Reaktionen

Bürgermeisterin Doris Schröter (Bad Saulgau) teilte in einer ersten Reaktion mit: Ich habe seit Montagmittag das über 180seitige Zweitgutachten und seit Dienstagmittag die Sitzungsvorlage mit Beschlussvorschlägen der Kreisverwaltung. Das werde ich mir jetzt genau anschauen und wir werden dies auch im Gemeinderat beraten und bewerten. Das Gutachten zeigt Optionen für Bad Saulgau, allerdings bedarf es für die Prüfung und ggf. Umsetzung von Nachnutzungsoptionen der Unterstützung durch SRH und des Landkreises. Die Aussagen hierzu sind zu unverbindlich. Ich kann schlichtweg noch kein fundiertes Statement abgeben. Ich/Wir werden wie gesagt, alles genau anschauen und dann ggf. konkrete Anträge einbringen.“

MdB Robin Mesarosch (SPD) wird in seiner Stellungnahme deutlich: „Wir haben jetzt sehr konkrete Vorschläge, was bei uns im Kreis geschlossen wird. Und wir haben sehr schwammige Ankündigungen, welche medizinischen Angebote vielleicht kommen könnten. Dieses Ungleichgewicht ist ein Problem. Ich warne davor, dass der Landkreis Angebote schließt, bevor er – wenn überhaupt – neue schafft.

Unser Ziel muss eine sichere Gesundheitsversorgung für alle in unserem Landkreis sein. Aktuell fehlen uns allerdings Hausärztinnen und -ärzte – nicht nur, aber ganz besonders in Bad Saulgau. Mir schreiben viele Leute, die dort und in der weiten Umgebung keine Termine mehr bekommen. Ohne Krankenhaus in Saulgau wird der Andrang auf die überlasteten Hausarztpraxen weiter steigen.

Der Landkreis erwähnt in seiner Pressemitteilung, „die ambulante Versorgung im Kreis soll gestärkt werden“. Die wenigen Vorschläge dazu bleiben allerdings äußerst allgemein. Auch bei den „Primärversorgungszentren“, die für Saulgau und Pfullendorf angedacht sind, handelt es sich bislang nur um Projekte des Landes. Das muss nicht schlecht sein, allerdings ist hier noch sehr vieles unklar. So können sich hinter dem Begriff „Primärversorgungszentrum“ sehr unterschiedliche Einrichtungen verbergen. Auch hofft der Landkreis, an dieser wie an weiteren Stellen auf Fördermittel des Bundes. Hier muss allen klar sein, dass der Bund dann Aufgaben des Landes übernimmt und es für die erhofften Fördermittel bislang keine Zusagen und teils noch gar keine Förderprogramme gibt, auf die der Kreis eine solide Strategie stützen könnte. Als Bundestagsabgeordneter werde ich mit ganzer Kraft für Fördermittel kämpfen. Bei so vielen Unklarheiten droht jedoch viel Zeit ins Land zu gehen, bevor wie auch immer geartete „Primärversorgungszentren“ in Saulgau und Pfullendorf stehen.

Der Landkreis und die SRH können die Probleme unserer Gesundheitsversorgung nicht allein lösen, das ist klar. An erster Stelle sollte allerdings eine ehrliche Analyse stehen und die erkenne ich auch im Zweitgutachten nicht. Selbstverständlich kommt es zum selben Schluss wie das Erstgutachten. Beide ziehen betriebswirtschaftlich logische Schlüsse. Allerdings versäumen es auch beide, unsere Gesundheitsversorgung in Gänze zu sehen. Insbesondere die Situation bei unseren Hausärztinnen und -ärzten und was Krankenhausschließungen für sie bedeuten, vernachlässigen beide Gutachten. Ich wünsche mir, dass der Kreistag diese Überlastung berücksichtigt und zuerst eine verlässliche Strategie für unsere gesamte Gesundheitsversorgung entwickelt, bevor er zur Tat streitet. Dafür biete ich gerne meine Unterstützung an.“