An einem „Nachfolger“ des NSU Ro 80 wird im Obrist Tech-Center in Lindau geforscht

An einem „Nachfolger“ des NSU Ro 80 wird im Obrist Tech-Center in Lindau geforscht
Längst genießt der Ro 80 Kultstatus, noch heute hat er bei seinen Fans einen legendären Ruf und ist als Oldtimer heiß begehrt (Bild: Wilfried Vögel)

Der Ro 80 wurde bei der Internationalen Automobilausstellung 1967 als Sensation bestaunt

Lindau/Überregional – Er spielte bei der Eröffnung des neuen Technologiezentrums der Obrist Power- Train im ehemaligen Wankelgebäude zwar keine Hauptrolle, war aber doch beinahe ständig präsent: der Ro 80, 1967 als „Wunderauto“ bestaunt, bei dem alles neu war, das Design, der Antrieb und die Technik. Heute wird in Lindau wiederum an einem völlig neuen, innovativen Antriebsaggregat geforscht.

Ursprünglich baute die 1873 gegründete NSU aus Neckarsulm Strickmaschinen. Bald schon folgten Fahrräder und Motorräder. Das Wirtschaftswunder ließ dann den Deutschen den Traum vom eigenen Auto näher rücken. 1957 produzierte NSU den legendären Kleinwagen „Prinz“. Bereits 1951 schlug der gelernte Verlagskaufmann Felix Wankel bei der NSU auf. Er hatte zwar keine technische Ausbildung, dafür aber geniale Ideen.

In einem Heidelberger Hinterhof entwickelte Wankel ein Auto mit drei Rädern, den „Teufelskäfer“. Erst später konzentrierte er sich auf die Entwicklung einer sogenannten Drehkolbenmaschine. Mit ihr feierte er später große Erfolge.

Einem Kooperationsvertrag mit der NSU folgte die Entwicklung von Rotationskolbenmotoren. Dafür gründete Felix Wankel in Lindau im Stadtteil Zech in Ufernähe die TES (Technische Entwicklungsstelle). Das ungewöhnliche Gebäude, das einem Schiff nachempfunden war, hat Wankel selbst entworfen.

1954 gelang ihm und seinem Team der Durchbruch. Am Bodensee entstand der erste funktionsfähige Rotationskolbenmotor. Er wurde später von Wankel zum Kreiskolbenmotor weiterentwickelt. Der „Wankelmotor“ war geboren. Noch war er aber nicht serienreif. Erst in Zusammenarbeit mit der NSU entstand erstmals eine alltagstaugliches Aggregat.

Bei einer Pressekonferenz 1960 in München sorgte die Vorstellung des neuen Motors weltweit regelrecht für Aufsehen.

Bei seiner Präsentation stellte sich die Frage, ob er den bekannten Ottomotor ersetzen könne. Fakt ist: er war seiner Zeit damals schon weit voraus
Bei seiner Präsentation stellte sich die Frage, ob er den bekannten Ottomotor ersetzen könne. Fakt ist: er war seiner Zeit damals schon weit voraus (Bild: Wilfried Vögel)
Als Wankelmotor erlangte dieses innovative Antriebsaggregat Weltruhm, alle wollten die Lizenzen haben
Als Wankelmotor erlangte dieses innovative Antriebsaggregat Weltruhm, alle wollten die Lizenzen haben (Bild: Wilfried Vögel)

Alle stellten sich die Frage, ob der herkömmliche Ottomotor damit ausgedient habe. Die Kraft entfaltete sich jetzt nicht mehr durch eine Auf- und Abwärtsbewegung stattdessen in einem runden, vibrationsarmen, turbinenartigem Lauf. Für diesen Motor sprach ein deutlich kleineres Volumen und ein Drittel weniger Bauteile.

Die Veröffentlichung sorgte für einen globalen Run auf Lizenzrechte. Viele Autobauer von Mercedes, bis Mazda und GM interessierten sich plötzlich für diese völlig neue Antriebstechnik. Hatte der Motor wirklich das Zeug dazu, den hergebrachten Hubkolbenmotor endgültig abzulösen? Der erste Versuch der NSU-Ingenieure, mit dem „Spider“, einem Sportwagenmodell zu punkten, war wenig erfolgreich.

NSU wagte nun den ganz großen Coup: Man wollte zum einen aus dem Ruf des „Kleinwagenbauers“ aussteigen, zum anderen wollte man in eine ganz neue, höhere Fahrzeugklasse einsteigen.

Dieser Schritt wurde in Fachkreisen als „Angriff auf die Gehobene Mittelklasse“ gewertet. Ein Wagnis? Mitnichten. Geplant war, den neuen Motor in eine passende Karosserie einzubauen. NSU setzte alles auf diese neue Karte. Die Idee vom Ro 80 war geboren.

Als "Dienstfahrzeug" im Tatort mit Kommissar Felix Murot (gespielt von Ulrich Tukur) wurde der Ro 80 einer breiten Öffentlichkeit bekannt
Als „Dienstfahrzeug“ im Tatort mit Kommissar Felix Murot (gespielt von Ulrich Tukur) wurde der Ro 80 einer breiten Öffentlichkeit bekannt (Bild: Wilfried Vögel)

Das neue zukunftsweisende Design stammte vom damaligen NSU-Chefdesigner Claus Luthe. Von ihm erwartete NSU, dass er eine schicke Karosserie entwickelte, bei der man ahnen sollte, dass sich darunter eine revolutionäre Motorentechnik verbarg. Der Versuch gelang auf Anhieb. Mit 12 Litern Verbrauch, 1.290 kg Leergewicht, einer Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h und einem Kaufpreis von rund 14.000 DM trat der Ro 80 zum ersten Mal 1967 auf dem Markt auf. Und wurde noch im selben Jahr zum „Auto des Jahres“ gekürt.

Aber noch waren nicht alle Motorenprobleme endgültig gelöst. Es gab immer wieder Rückschläge. Erst 1969 hatten die Ingenieure die Probleme im Griff. Der Motor lief zuverlässig, was zahlreiche Fachzeitschriften bestätigten. Trotzdem blieb die wirtschaftliche Lage bei NSU schwierig. Man hatte einfach zu viel Geld in die Entwicklung gesteckt. Auf Druck der Geldgeber fusionierte NSU 1969 mit Audi. Obwohl mit dem KKM 871 eine Weiterentwicklung mit einem 170 PS starken Motor gelang, entschied sich das Management von VW, die Kreiskolbentechnik nicht weiterzuverfolgen. Aus heutiger Sicht eine Fehleinschätzung.

37402 Exemplare des Ro 80 wurden insgesamt gebaut. Er war "Auto des Jahres" 1967 und galt als Sensation und sorgte weltweit für Aufsehen
37402 Exemplare des Ro 80 wurden insgesamt gebaut. Er war „Auto des Jahres“ 1967 und galt als Sensation und sorgte weltweit für Aufsehen (Bild: Wilfried Vögel)

Bis 1977 wurden insgesamt 37.402 Autos der Marke Ro 80 gebaut. Der Wagen blieb ohne Nachfolger, obwohl er beispielgebend für eine ganze Generation von Automobilen war. Dafür waren jetzt andere renommierte Automarken mit einer Weiterentwicklung des Kreiskolbenmotors am Start, darunter Mercedes mit der Stilikone C 111 mit ihren typischen Flügeltüren. Aber auch dieses futuristisch anmutende Fahrzeug ging zum Leidwesen vieler Autofans nie in Serie. Der japanische Autobauer Mazda hingegen verfolgte diese Technologie weiter. Es entstanden wunderschöne Sportwagen wie der RX-7 und RX-8. 

Mazda baute davon 1,5 Millionen Fahrzeuge und bewies damit, dass diese innovative Motorentechnik auch wirtschaftlich interessant eingesetzt werden kann. Beide Modelle sind inzwischen auch schon wieder Geschichte. Aber auch heute noch wird die Wankelmotor-Technik  produziert, weiterentwickelt und in der Praxis eingesetzt, so z.B. in Hochgeschwindigkeitszügen.

Erstaunlich ist, dass der Wankelmotor schon damals bestens zum Antrieb mit Wasserstoff geeignet war. Er wäre damit dem Hubkolbenmotor deutlich überlegen gewesen. Aber die Zeit war wohl noch nicht reif dafür.

Viele sind sich einig, dass der Wankelmotor seiner Zeit einfach voraus war. Heute ist der Ro 80 ein begehrter Oldtimer. Gut gepflegt und gewartet bietet der Ro 80 auch heute noch ein unvergleichliches Fahrgefühl und behält seinen Wert, steigert ihn sogar noch.

Die weltweit organisierten Mitglieder des Ro 80 Clubs treffen sich regelmäßig, auch immer wieder beim Wankelgebäude in Lindau
Die weltweit organisierten Mitglieder des Ro 80 Clubs treffen sich regelmäßig, auch immer wieder beim Wankelgebäude in Lindau (Bild: Wilfried Vögel)

Der weltweite Ro 80 Club hat rund 1.000 Mitglieder die sich regelmäßig treffen. Auf Wunsch von Felix Wankel wurde damals schon der Zusatz „Verein für Kreiskolbentechnik“ in den Namen des Clubs aufgenommen.

Bei der Eröffnung des Obrist Tech-Centers in Lindau hatte der derzeitige Vorsitzende des Vereins, Gunter Olsowski, Gelegenheit, ein Grußwort zu sprechen. Er nannte den Ro 80 „ein Auto von heute mit dem Anspruch von Morgen“. Der Werbeslogan von damals „Vorsprung durch Technik“ in puncto Form, Technik und Fahrgefühl sei immer noch gültig.

2013 und 2019 haben sich Ro 80-Fans mit ihren Fahrzeugen auf dem Wankelgelände in Lindau getroffen. Sie fühlen sich dabei fast wie „Gralshüter“ dieser Auto-Ikone. Dass jetzt im Wankelgebäude wieder an einer völlig neuen Antriebstechnologie geforscht wird, sieht Gunter Olsowski als folgerichtig.

Der Ro 80 von Tatortkommissar Ulrich Tukur war bei der Öffnung des Obrist Tech-Centers sozusagen "Stargast", ein Stück "Auto von morgen"
Der Ro 80 von Tatortkommissar Ulrich Tukur war bei der Öffnung des Obrist Tech-Centers sozusagen „Stargast“, ein Stück „Auto von morgen“ (Bild: Wilfried Vögel)

Nicht umsonst diente der Ro 80 Tatortkommissar Ulrich Tukur als Dienstfahrzeug (Hauptkommissar Felix Murot). Dieses historische Fahrzeug war bei der Eröffnung des Obrist Tech-Centers im Original zu bestaunen. Tukur dazu: „Der Ro 80 ist viel mehr als ein Auto, er ist eine großartige Ingenieurs-Idee, seine Linie ist klar und elegant. Er ist ein zeitgenössisches mechanisches Meisterwerke, das sich in keine Kategorie einordnen lässt, eben ein Auto von anmutiger Schönheit“.

Der Ro 80 hat Automobilgeschichte geschrieben. Jetzt wird im Wankelgebäude an der nächsten Motorengeneration geforscht, ein gutes Omen?
Der Ro 80 hat Automobilgeschichte geschrieben. Jetzt wird im Wankelgebäude an der nächsten Motorengeneration geforscht, ein gutes Omen? (Bild: Wilfried Vögel)