Ampel-Parteien warnen Union vor Blockade des Bürgergelds

Ricarda Lang ist Bundesvorsitzende der Grünen.
Ricarda Lang ist Bundesvorsitzende der Grünen. (Bild: Kay Nietfeld/dpa)

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Das Bürgergeld soll nach dem Willen der Ampel-Koalition die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen – geplant ist der Beginn zum 1. Januar. Ob die Regierung das Datum halten kann, ist aber unklar.

Berlin (dpa) – Im Streit um die Einführung des Bürgergelds haben die Ampel-Parteien die Union zur Zusammenarbeit aufgefordert. «Wer täglich in der Zeitung mehr Entlastungen fordert, sollte die Menschen bei deren Umsetzung nicht im Regen stehen lassen», sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang dem «Tagesspiegel» und der «Rheinischen Post».

Es liege in der Verantwortung aller Parteien, für soziale Sicherheit zu sorgen und den Zusammenhalt im Land zu stärken. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken signalisierte Gesprächsbereitschaft. Zuvor hatte CDU-Generalsekretär Mario Czaja mit einer Blockade des Gesetzes im Bundesrat gedroht.

Im laufenden Gesetzgebungsverfahren gibt es seit längerem Streit. Deshalb ist offen, ob die Ampel-Regierung die Reform wie geplant durchbringen kann. Sie ist im Bundesrat auf Stimmen aus dem Lager der Unionsländer angewiesen. Eine Blockade könnte sich auch auf den ohnehin engen Zeitplan auswirken. Als Starttermin ist der 1. Januar vorgesehen.

CDU-Generalsekretär Czaja hatte dem «Tagesspiegel» zur geplanten Reform gesagt: «Ich gehe davon aus, dass wir darüber im Vermittlungsausschuss werden sprechen müssen.» Der Ausschuss ist ein Gremium von Bundestag und Bundesrat, das einen Konsens finden soll, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze in der Länderkammer keine Mehrheit finden.

Kühnert verteidigt Bürgergeld-Pläne

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verteidigte die Pläne der Ampel zum Bürgergeld. «Die Bürgergeldreform ist eine, die in sich ausgewogen ist, die eine Mixtur aus verschiedenen Maßnahmen und Instrumenten beinhaltet und deswegen sollte sie auch gemeinsam eingeführt und auch sofort in die Praxis implementiert werden», sagte Kühnert im Deutschlandfunk.

Er sei «sehr irritiert» über Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz und anderer Unionspolitiker zu Detailregelungen des Bürgergelds. Kühnert führte etwa die Kritik an der Höhe des sogenannten Schonvermögens an. Damit sind Vermögenswerte einer Person oder eines Haushalts gemeint, die vom Bürgergeldbezug unberührt bleiben.

Vermögenswerte einer Einzelperson bis zu 60.000 Euro zu schützen, sei kein Plan der Ampel, «sondern das ist die geltende Lage auch im aktuellen Hartz-IV-Bezug», sagte der SPD-Generalsekretär. «Und diese Regeln sind eingeführt worden zu Zeiten der Großen Koalition (…) und zwar zu Beginn der Corona-Pandemie 2020.» Die SPD stehe weiter zu dieser Regel. Es sei ungerecht, dass Leute, die sich etwas aufgebaut hätten, «alle Substanz aufbrauchen müssen».

Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte ebenfalls dem «Tagesspiegel», es sei nicht die Zeit «für parteitaktische Manöver». Verzögerung und Blockade hätten nichts mit Verantwortung zu tun.

Das Bürgergeld soll die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen. Ziel der Ampel-Koalition ist es, Betroffene in die Lage zu versetzen, sich stärker auf Weiterbildung und die Arbeitssuche konzentrieren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Regelsätze der Grundsicherung sollen um rund 50 Euro pro Monat steigen.

Aus Sicht von Czaja setzt der bisherige Entwurf die falschen Anreize – etwa durch den höheren Vermögensfreibetrag. «Wer arbeitet, muss mehr haben, als der, der arbeiten kann und es nicht tut», sagte Czaja.

Esken signalisiert Gesprächsbereitschaft

SPD-Chefin Esken sagte der Funke-Mediengruppe: «Wenn die unionsgeführten Bundesländer beim Bürgergeld Detailfragen klären wollen, sind wir dazu bereit.» Klar sei, dass es bei der Einführung in erster Linie um Respekt gehe, das stehe nicht zur Verhandlung. «Es geht nicht nur um einen Ausgleich der Inflation, sondern es geht vor allem um den Respekt, den die Menschen in Not verdient haben, und um nachhaltige Wege zur Überwindung dieser Not.»

Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) betonte, dass die Partei einen Inflationsausgleich ausdrücklich unterstütze und sich dafür einsetze, dass die Erhöhung zum 1. Januar 2023 in Kraft trete. «Dafür gibt es Mittel und Wege auch außerhalb des Bürgergeld-Gesetzes», sagte er der «Rheinischen Post». «Ein Vermittlungsverfahren zum Bürgergeld macht Sinn, wenn sich die Ampel bereiterklärt, die tiefgreifenden Webfehler ihres Vorhabens zu korrigieren.»

Aus Sicht der Linken gehen die geplanten Reformen dagegen nicht weit genug. Der Vorsitzende Martin Schirdewan sagte der «Rheinischen Post», notwendig sei eine solidarische Mindestsicherung, «die ohne Wenn und Aber soziale Teilhabe ermöglicht und auf die die Menschen sich auch verlassen können».

Der Bundesrat hatte die Ampel-Regierung nach Beratungen am Freitag zu Nachbesserungen aufgefordert. Der Bundestag will sich am 10. November in zweiter und dritter Lesung mit dem Gesetz befassen. Danach ist der Bundesrat wieder am Zug.