AMD: „Riedlingen stellt sich wieder einmal ungeschickt an“ – Ein Gespräch mit Christoph Selg

Christoph Selg stellt die Frage, wer sich jetzt erfolgreich um eine Ärztegewinnung für das AMD 2 kümmern will?
Christoph Selg stellt die Frage, wer sich jetzt erfolgreich um eine Ärztegewinnung für das AMD 2 kümmern will? (Bild: MK)

Letzte Woche hat der Riedlinger Gemeinderat den früheren Beschluss, dass der zweite Bauabschnitt für das Ambulant Medizinischen Dienstleistungszentrum (AMD) unter städtischer Regie gebaut werden soll gekippt. Eine knappe Mehrheit sprach sich dafür aus, dass eine „Markterkundung“ stattfinden soll, um diesen Bauabschnitt möglichst von einem Investor realisieren zu lassen.

Schon vor Wochen signalisierten die interessierten Ärzte, dass sie für den Fall einer Investorenlösung nicht mehr zur Verfügung stehen möchte. Dies bewirkt einen gewaltigen Handlungsdruck auf Verwaltung und Gemeinderat, denn die scheinbar vom Landratsamt zugesagte Fristverlängerung bis ins Jahr 2025 hinein für OP‘s im bisherigen Krankenhaus, entpuppten sich als Luftnummer. Um für den Wegfall des Krankenhauses eine vernünftige ambulante und teilstationäre Versorgung zu gewährleisten, bleibt nicht mehr viel Zeit.

Über diesen Themenkomplex sprachen wir mit Christoph Selg von der Bürgerinitiative für den Erhalt des Krankenhauses (BI).

Herr Selg, steigt die BI aus der Begleitung des Prozesses für das AMD aus?

Für uns bleibt das Ziel in Riedlingen eine qualitativ hochwertige, langfristige Gesundheitsversorgung zu etablieren natürlich bestehen. In den vergangenen Jahren haben wir in Riedlingen dazu ein sehr gutes Miteinander entwickelt.

In jüngster Zeit beobachten wir aber, dass der Dialog regelrecht zerbröselt. Ein Austausch findet gar nicht mehr statt. Wir halten es für ein Gelingen geradezu für existenziell, dass die politischen Entscheidungsträger und die Ärzteschaft in einem vertrauensvollen Dialog stehen. Dies ist in Riedlingen überhaupt nicht mehr der Fall. Ein fruchtbarer zielorientierter Dialog findet nicht mehr statt. Uns scheint es auch so, dass die bisherige Vertrauensbasis nicht mehr existiert.

Wir wollen auch nicht verschweigen, dass uns die gegenwärtige Atmosphäre ernsthafte Sorgen bereitet. Das Handeln von Stadtverwaltung und Teilen des Gemeinderates ist weder zielführend noch erfolgversprechend.

Es wird immer der Eindruck erweckt, als ob die Ärzte die Stadt unter Druck setzen wollten. Das ist Unsinn. Wir brauchen die Ärzte für eine intakte Gesundheitsversorgung. In Riedlingen droht ein akuter Ärztemangel – wir müssen da unbedingt gegensteuern.

Andere Gemeinden machen dies mit hohem Engagement schon lange. Von alleine kommt schließlich nichts. Es gibt klare Positionierungen der Ärzteschaft. Wenn auf Seiten der Stadtverwaltung und Teilen des Gemeinderats kein Umdenken einsetzt, werden wir als BI aus der Prozessbegleitung aussteigen. Schließlich gibt es dann keinen „Prozess“ mehr.

Ist dies das Ende für eine Nutzung des zweiten Bauabschnitts durch die SI-Klinik?

Wenn die Beteiligten nicht endlich wieder zueinander finden, ja. Die Ärzte haben sich klar positioniert. Sie wollen nur in einem kommunal getragenen AMD tätig werden. Die schlechten Erfahrungen mit privaten Investoren wirken hier deutlich nach. Für wen wir dann einen OP bauen sollen ist uns nicht klar. Wir sollten endlich von unseren Luftschlössern herunterkommen!

Von Seiten der Stadtverwaltung und Teilen des Gemeinderates wird diese Positionierung einfach ignoriert. Was will man da erwarten.

Die Ärzte werden sich dahin orientieren, wo sie willkommen sind, wo sie für sich bessere Voraussetzungen erkennen. Riedlingen verabschiedet sich gerade aus dem Rennen.

Welche Fach-Ärzte steigen ggf. noch aus der Nutzung des 2. Bauabschnitts aus?

An den Gesprächen mit potenziellen Interessenten sind wir nicht beteiligt. Wir wissen aber, dass es Interessenbekundungen gibt von Fachärzten, deren Disziplin in Riedlingen aktuell nicht vertreten ist. Es ist nicht nachvollziehbar, dass diese Chance nicht erkannt wird, sondern in geradezu ignoranter Weise verspielt wird.

Kann das AMD 2 bis Ende 2024 (OP-Möglichkeiten im Krankenhaus enden dann) noch realisiert werden?

Wir treten jetzt gerade in eine Markterkundung. Dann soll wieder entschieden werden. Wie das wissen wir nicht. Der Streit wird also noch eine ganze Weile andauern. Wir glauben ehrlich gesagt nicht mehr daran, dass das AMD jemals realisiert wird. Wir stellen uns in Riedlingen gerade viel zu ungeschickt an. Ende 2024 endet die Möglichkeit in Riedlingen ambulantes Operieren durchzuführen. Wir verlieren gerade viel wertvolle Zeit.

Wer sorgt für einen adäquaten Ersatz der Betreiber, oder wird Riedlingen mit Einzugsgebiet in der Qualität der medizinischen Versorgung deutlich zurückfallen?

Um es einmal ganz deutlich auszusprechen: von Seiten der Stadtverwaltung oder des Gemeinderates wurde bisher kein einziger Arzt/Ärztin oder irgendein Dienstleister aus dem Gesundheitsbereich gewonnen. Herr Leitz und Herr Dr. Jung waren hier bisher die treibenden Kräfte. So wie man hier in Riedlingen mit diesen Beiden umgeht, ist es nicht verwunderlich, dass diese Kräfte ausgefallen sind. Es gibt niemanden mehr, der für Riedlingen Ärzte oder Dienstleister anwirbt.

Wir stellen uns die Frage, für wen soll eigentlich ein OP gebaut werden, wenn es gar keine Operateure am Ort gibt?

Nochmal: es ist viel Vertrauen verspielt worden. Dieses muss erst einmal wieder aufgebaut werden.

Wem weisen Sie die Hauptverantwortung für diese traurige Entwicklung zu?

Den aktuell (Nicht-)Handelnden also Stadtverwaltung und Teile des Gemeinderats.

Wo es Verlierer gibt, feiern andere Siege. Wer ist nach Ihrer Einschätzung Profiteur?

Sana-SRH, die Ärzte in den nächstgelegenen Städten um Riedlingen herum, also Saulgau, Ehingen, Sigmaringen und Biberach.