AMD: Hinter den Kulissen kracht es gewaltig

Droht dem in Riedlingen vorgesehenen Ambulant Medizinischen Dienstleistungszentrum (AMD) wegen der Querelen der Wechsel in das Bad Saulgauer Krankenhaus?
Droht dem in Riedlingen vorgesehenen Ambulant Medizinischen Dienstleistungszentrum (AMD) wegen der Querelen der Wechsel in das Bad Saulgauer Krankenhaus? (Bild: Privat)

Riedlingen – Dass es für den zweiten Bauabschnitt des Ambulantes Medizinischen Dienstleistungszentrums (AMD 2) nur eine knappe Mehrheit gab, war schon ein Fingerzeig, dass es hinter den Kulissen ordentlich kracht. Offensichtlich gibt es nicht nur zwei Lager im Gemeinderat, sondern auch herzhafte Probleme zwischen den Betreibern des AMD und der Verwaltung. Zu allem Überfluss hat auch noch der, für dieses Vorhaben eigens engagierte Wirtschaftsförderer Alexander Leitz (Ertingen) den Bettel hingeworfen.

Wir hakten wegen der schon im Vorfeld der Gemeinderatssitzung zu spürenden Spannungen u. a. bei Leitz nach. Auf die Frage, warum er seine Zusammenarbeit mit der Stadt Riedlingen beendet habe und ob der Grund in unterschiedlichen Auffassungen bzgl. der Umsetzung/Verwirklichung des AMD Bauabschnitt 2 liege, war die Antwort ein kurzes, aber unmissverständliches „Ja!“ Diese kurze Antwort ließ tief blicken. Bei der weiteren Recherche stießen wir selbst auf eine ganze Reihe von Streitpunkten, die in einem uns vorliegenden Positionspapier der Gemeinderats-Fraktion WIR (Wir in Riedlingen) gipfelten.

Die getroffenen Aussagen haben wir in Gesprächen mit einigen am Verfahren beteiligten Personen abgeklärt.

Hier die von Dorothea Kraus-Kieferle abgegebene vollständige Stellungnahme in vollem Wortumfang:

„Vorab möchte ich feststellen, dass der Beschlussvorschlag der Verwaltung zum Verlust erheblichen medizinischen Angebotes in Riedlingen führen wird und der Stadt großer Schaden entsteht. Nicht nur der Stadt sondern auch dem wohl wichtigsten Gut der Menschen dieser Stadt, der Gesundheits-versorgung. Profiteur wird ein Mittelzentrum in der Nähe sein. Das Konzept wird dort umgesetzt werden. Herr Schafft nimmt dies billigend in Kauf. Im Weiteren möchte ich die Folgen erläutern. Zunächst möchte ich Herrn Alexander Leitz für seine gute Arbeit, seinen unermüdlicher Einsatz für unser Gesundheitszentrum danken. Weiter möchte ich mich bei den Initiatoren und Entwicklern des Konzeptes bedanken, Herrn Dr. Sebastian Jung und Herrn Axel Henle. Bedanken möchte ich mich auch beim Landkreis, der bereit ist einen hohen Zuschuss für das AMD zu gewähren. Leider wurde das sicherlich für die Infrastruktur Riedlingens wichtigste Projekt entgegen der gefassten Beschlüsse seitens der Verwaltung in eine völlig andere Richtung entwickelt. Nun steht Herr Schafft vor einem Scherbenhaufen. Er ist nicht mehr gesprächsfähig mit den Ärzten und Therapeuten. Das Tuch ist zerschnitten. Herr Leitz hat die Zusammenarbeit daraufhin aufgekündigt.

Uns Räten gegenüber steht eine klare Begründung dazu im Raum: „Im aktuellen Kurswechsel“ der Stadtverwaltung kann Herr Leitz das Ziel „einer zukunftsfähigen und zeitgemäßen Gesundheitsversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln“ nicht mehr erkennen. Herr Leitz hat das Projekt nun viele Jahre lang begleitet und dies für die Verwaltung auf einen ursprünglich erfolgreichen Weg gebracht. Er hat um Vertrauen zur Stadt geworben, dies wurde von Herrn Schafft nun nachhaltig beschädigt. Ursache hierfür sind sicherlich viele Kleinigkeiten, wie die unautorisierte Weitergabe vertraulicher Daten von Ärzten und ähnliches – maßgeblich ist jedoch der kolossale Wortbruch.

Am 21.06.2021 fasste der Riedlinger Gemeinderat den Beschluss die Verantwortung für das AMD zu übernehmen. Ich zitiere aus dem Beschluss vom 21.06.2021: „Die Initiative der Stadt Riedlingen, den ambulanten Operationssaal in kommunaler Trägerschaft zu errichten, der allen interessierten Ärzten in Riedlingen und der Raumschaft nach transparenten und diskriminierungsfreien Kriterien zur Verfügung stehen wird, ergab sich durch die Fachberatung des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO).“ Zitat Ende.

In Vorberatungen – ohne dass der Gemeinderat davon wusste – ging Herr Schafft zielgerichtet vor, das Projekt an einen Investoren zu verschachern. Die Verwaltung hat es bisher noch nicht einmal geschafft eine Baugenehmigung zu erlangen und will das Projekt loswerden. Da das Projekt ohne Zuschüsse defizitär ist – möchte Herr Schafft sich nun mit dem Geld der Bürger von dieser Verantwortung freikaufen. Mit Mitteln der Stadt soll ein Investor das Projekt umsetzen. Die Verwaltung hätte die Arbeit dann los. Müsste sich um nichts mehr kümmern. Geld spielt dabei keine Rolle.

Belastbare Zahlen zu den beiden Varianten legt Herr Bürgermeister Schafft erst gar nicht vor. Es erschüttert mich, dass man in Riedlingen voller Inbrunst auf Dritte zeigt, wenn Sana oder SRH aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen agieren und medizinische Versorgung zentralisieren, aber die Verwaltung ist nicht dazu bereit den Finger auf sich selber zu zeigen, wenn man aus eben denselben Gründen bereit ist, den Bürgern medizinische Versorgung vorzuenthalten.

Herr Bürgermeister Schafft geht nun exakt gleich vor und möchte das Projekt los werden. Sogar die hohen Zuschüsse des Landkreises will Herr Schafft dafür opfern und dafür die Schatulle der Stadt öffnen. Der hohe Zuschussbedarf des Modells Privatisierung ist den Räten gänzlich unbekannt. Wer dies als günstigere Variante tituliert hat eines: ‚Eine starke Meinung – aber keine Ahnung.‘

Die Konsequenzen daraus kennt Herr Schafft bereits. Es liegen mehrere Schreiben seitens der Bauherren und Operateuren vor, die eines klar machen: Die Variante 2 – nämlich das Investorenmodell führt ggf. sogar zum Verlust dieser Praxen in Riedlingen. Und zum Verlust der ambulanten Operateure. Dies ist Herrn Schafft mit Schreiben vom 13.03.22 und mehreren Mails von den Ärzten und Therapeuten klar kommuniziert worden.

Ich zitiere aus dem Schreiben:

Die Umsetzung durch externe Investoren wird folgende Konsequenzen haben:

  • Die Operateure, das Augenzentrum und die SI-Praxis werden bei einem Investor nicht operieren, sondern sich in der Raumschaft anderweitig orientieren.

  • Rückzug der Bauherrengemeinschaft

  • kein Engagement mehr.

  • Die Praxen werden explizit nicht als Bestandteil an einer städtischen Ausschreibung dienen (z.B. Operateure vorhalten).

  • Bauliche Trennung der Gebäude.

  • Schadensersatzforderung an die Stadt für Mehrkosten durch die Trennung der Gebäude.

  • Keine weitere Vermittlung bereits gewonnener Interessenten.

Die Praxisinhaber haben im Vertrauen auf den Beschluss vom 21.06.22 und auf das Wort unseres Bürgermeisters mit dem Partner der Stadt Riedlingen begonnen zu bauen. Der Rohbau steht bereits fast fertig. Die Ärzte haben sich diesen Partner ausgesucht und werden nicht einem Immobilienfonds, Bauunternehmen, Bank oder ähnlichen zur Verfügung stehen. Auch weitere Interessenten die aufgrund der zusammenbrechenden Hausarztversorgung, wie uns Dr. Mittendorfer skizziert hat, stehen für ein Investorenmodell nicht mehr zur Verfügung.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Bereits jetzt schließt in unserer Raumschaft eine Praxis nach der anderen ohne Nachfolger. Dr. Reck in Riedlingen, Dres. Jung in Ertingen, Dres. Jäger-Klöß, Dr. Zeeb Bald werden viele Menschen ohne Hausarzt dastehen.

Riedlingen hat durch die Privatisierung der Kliniken und der Schließung des Krankenhauses immens an fachärztlicher Versorgung verloren. Ein Konzept in kommunaler Trägerschaft ist reizvoll für Mediziner – die Attraktivität stärkt und sichert die medizinische Versorgung und macht diese wieder zukunftsfähig. Dies zeigt das große Interesse von Ärzten an dem Projekt ohne Investor. Eine Privatisierung mit Sana haben wir hinter uns – auch die Ärzte. Eine weitere werden die Ärzte nicht mitmachen. Die Variante 2 muss dann ohne Ärzte auskommen. Zulassungen die als Operateure in Frage kommen für die Grundversorgung gibt es dann nicht mehr. Der Verlust des Röntgens wird uns in das medizinische Mittelalter zurückkatapultieren.

Eine Variante 2 gibt es schlicht und ergreifend nicht. Wer dafür stimmt zerstört bewusst die medizinische Versorgung und das Projekt. Das Umland wird sich wieder mal freuen. Wir haben es schriftlich. Die Ärzte werden sich umorientieren – weg von Riedlingen. Wir kennen die Baukosten, die Herr Weiß kalkuliert hat. Wir kennen die Mieteinnahmen und wir kennen die Höhe der Zuschüsse. Wir haben eine einmalige Chance das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und die Zukunft unsere Stadt zu gestalten. Diese Chance müssen wir ergreifen.“

Der Wochenblatt-Fragenkatalog an Bürgermeister Schafft

Wir wollten es genau wissen und legten Bürgermeister Schafft folgende Fragen vor:

  • Wenn ich die mir bisher zugegangenen Infos zur gestrigen Abstimmung richtig deute, ist das bisher vorgesehene medizinische Konzept kurz vor der Implosion. War Ihnen und der Ratsmehrheit das Risiko im Vorfeld im vollen Umfang bewusst?

  • Wie erklären Sie der Bevölkerung der Raumschaft dieses mögliche Scheitern, wenn die Absetzbewegungen der Interessierten am Projekt öffentlich werden?

  • War der Rückzug von Leitz nicht Warnung genug?

  • Die Bevölkerung hoffte nach der Schließung des Krankenhauses auf eine gute ambulante und teilstationäre Krankenversorgung. Dies ist jetzt, wohl zumindest zeitnah nicht mehr möglich.

  • Ist der Ratsmehrheit und Ihnen bewusst, dass sich die Bevölkerung, wohl wie 2012, erneut im Stich gelassen fühlen wird?

  • Sollte die SI Klinik Riedlingen verlassen, haben Sie ein Rechtfertigungs-Problem. Ist Ihnen dies vollumfänglich, auch in der Tragweite für das Ansehen Ihrer Person, bewusst?

Die Antwort kam prompt. Der Bedeutung des Themas wegen veröffentlichen wir auch diese in ungekürzter Fassung:

Schafft teilte uns mit: „Für die Aufgabe ‚Ambulantes Medizinisches Dienstleistungszentrum‘, die der Gemeinderat der Stadtverwaltung am 21.06.21 stellte, wurde durch den Beschluss des Kreistages Biberach Ende 2021 der enge rechtliche Rahmen aufgezeigt. Unser Ziel ist daher auf Basis der einschlägigen Rechtsgebiete ambulantes Operieren in Riedlingen für unsere Bürger und die Raumschaft zu ermöglichen. Dieses Ziel – das wurde gestern in der Sitzung mehrfach von allen Seiten betont – verfolgen alle Räte und auch die Stadtverwaltung. Einer der fundamentalen Rechtsgrundsätze in vergabe-, beihilfe- und medizin-standesrechtlicher Hinsicht ist, dass mit öffentlichem Geld private nicht unangemessen bessergestellt werden dürfen.

Der Gemeinderat hat am 21.6.21 zur Realisierung einen Bau in Trägerschaft der Stadt und eine Ausschreibung des Betriebs festgelegt.

Die Stadtverwaltung hat nunmehr pflichtgemäß zwei Wege zur Realisierung des Baukörpers aufgezeigt, nachdem sich im laufenden Projekt ergeben hat, dass es offensichtlich ein Markt auch für den Bau besteht.

Der Gemeinderat hat gestern mehrheitlich entschieden, dass es ‚in den wesentlichen Zügen‘ bei dem ursprünglichen Beschluss bleiben soll. Damit ist im Kern keine relevante Änderung der Zielsetzung eingetreten.

Ich glaube niemand will bei dieser Ausgangslage mit einer ‚Drohung‘ in Verbindung gebracht werden. Weder als Drohender noch als der, der einer solchen nachgibt. Immerhin geht es um ein Projekt von mehreren Millionen Euro als Freiwilligkeitsaufgabe der Stadt in einem privaten Markt. Und da muss es jeden Bürger interessieren wieviel Steuermittel für ein solches Projekt zur Verfügung gestellt werden. Zumal im Bereich der Gesundheitsversorgung z.B. bzgl. der Hausärztlichen Versorgung noch Pflichtaufgaben zu bewältigen sind, die sicherlich ebenfalls Mittel binden werden.“