Alles nur Kopfsache?

Für die Studie sucht das Tübinger Forschungsteam gesunde als auch an Depressionen leidende Personen im Alter von 20 bis 50 Jahren.
Für die Studie sucht das Tübinger Forschungsteam gesunde als auch an Depressionen leidende Personen im Alter von 20 bis 50 Jahren. (Bild: Pixabay)

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Tübinger Forscherteam untersucht die Rolle der Kommunikation zwischen Kopf und Bauch bei Depressionen

Tübingen – Menschen mit einer Depression leiden häufig an Antriebslosigkeit, ihre Fähigkeit Freude zu empfinden ist gestört und ihr Appetit gehemmt. Auf der Suche nach neuen, innovativen Therapieansätzen will ein Forschungsteam der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen daher das Hormon Ghrelin genauer untersuchen, welches im Magen gebildet wird und gezielt Appetit und Motivation anregt.

Welche Rolle es bei depressiven Erkrankungen spielt und wie es sich in diesem Zusammenhang auf die Motivation auswirkt, soll im Rahmen einer Studie geklärt werden. Das Forschungsteam sucht gesunde sowie an Depression erkrankte Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer.

Wenn die schönen Dinge im Leben keine Freude mehr bereiten, können einst spaßige Aktivitäten wie Kochen und Essen zu reinen Pflichtaufgaben werden, die nur noch schnell und möglichst unkompliziert erledigt werden sollen. Dieser Verlust an Freude und Interesse an belohnenden Reizen und Aktivitäten wird als Anhedonie bezeichnet.

„Es ist eines der Hauptkennzeichen einer Majoren Depression und führt zu einer deutlichen Verringerung der Lebensqualität“, erklärt Dr. Nils Kroemer, der die Arbeitsgruppe Computational Psychiatry an der Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie leitet. „Im Gegensatz zum zweiten Hauptkennzeichen – der stark gedrückten Stimmung – ist die Anhedonie jedoch häufig auch schwerer mit gängigen Methoden zu behandeln.“ So kann eine Behandlung mit Psychopharmaka und begleitender Psychotherapie zwar zur Verbesserung der Erkrankung führen, der nötige Antrieb fehlt jedoch weiterhin.

Hier setzt daher eine neue Studie der Arbeitsgruppe an – und rückt konkret den Bauch in den Fokus: „Viele bisherige Ansätze zur Therapie versuchen die Signalübertragung innerhalb des Gehirns zu verändern oder konzentrieren sich hauptsächlich auf die Gedankenwelt. Diese Idee ist nachvollziehbar, denn natürlich können wir unser Verhalten bewusst lenken. Aber ein Auto kann man nur dann wirklich gut fahren, wenn man sich nicht über jeden Schritt und jede Bewegung erst viele Gedanken machen muss, sondern wenn man mehr oder weniger automatisch ans Ziel kommt. Wir sprechen da gern von Bauchentscheidungen und genau das wollen wir besser nutzen“, erklärt Dr. Kroemer.

In der Tübinger Studie soll untersucht werden, welche Rolle das „Hunger-Hormon“ Ghrelin, das als bisher einziges bekanntes Hormon Appetit und Motivation gezielt anregen kann, bei der Depression spielt und wie es sich allgemein auf die Motivation auswirkt. Ghrelin wird verstärkt gebildet, wenn der Magen leer ist, Stoffwechsel- und Verdauungsstörungen, wie sie bei Depression häufig auftreten, können seine Funktion jedoch beeinträchtigen.

Anzeichen dafür, dass Motivationsverlust und Verdauungs- sowie Stoffwechselstörungen ursächlich zusammenhängen und die Depression begünstigen, gibt es. Nun will das Studienteam erstmals diese wichtige Brücke schlagen, um neuartige Therapieoptionen zu eröffnen. Dem Botenstoff Dopamin kommt hierbei eine Schlüsselfunktion zu, denn über ihn beeinflusst Ghrelin die Motivation. Ein zentraler Ansatzpunkt der Studie ist daher, inwieweit die Gabe des Hormons die Ausschüttung von Dopamin im Gehirn anregt und sich Motivationsverluste im Rahmen einer Depressionserkrankung abmildern lassen. „Hunger ist ein starker biologischer Antrieb“, führt Dr. Kroemer an. „Diesen körpereigenen Mechanismus wollen wir in Zukunft therapeutisch nutzen und so vielen Betroffenen innovative Ansätze bieten, die ihnen baldmöglich die Freude in den Alltag zurückbringen können.“

Studienteilnehmende gesucht:

Für die Studie sucht das Tübinger Forschungsteam gesunde als auch an Depression leidende Personen im Alter von 20 bis 50 Jahren. Die Studie beinhaltet bis zu vier Termine, eine vollständige Teilnahme nimmt ca. 12 Stunden in Anspruch. Die Studieneignung wird bei einem telefonischen Vorgespräch geprüft. Alle Teilnehmenden erhalten eine Aufwandsentschädigung von 60 Euro, Teilnehmende des Bildgebungsteils (nur ein Teil der Stichprobe) zusätzlich 170 Euro.

Mehr Informationen zur Studie sowie zum Kontaktformular: https://neuromadlab.org/de/forschung/forschungsprojekte/arbeit-gegen-belohnungen/  

Bei Interesse an einer Teilnahme oder Fragen zur Studie: 07071 29-82034 oder [email protected]

(Pressemitteilung: Universitätsklinikum Tübingen)